Daniel Buren benutzt sein „visuelles Werkzeug“, die 8,7 cm breiten Streifen, um die Wahrnehmung des Raumes – in diesem Fall der Wand der Galerie – in subtiler Art zu ände rn. Die weißen Streifen spie len mit dem nicht Sichtbaren, dem was zwischen ihnen steht, um die statische Wand dynamisch zu machen. Sie lassen den nicht bewusst wahrgenommenen Raum in der Gegenwart der Wahrnehmung erscheinen. Durch die Erweiterung des Plexiglases über das Motiv der Streifen hinaus und die zentrierte Hängung wird die gesamte Wand Teil des Kunstwerks. Das Werk ist zwischen dem nicht zu fassenden Chaos und der rational en Wiederholung des visuellen Motives angesiedelt.
Tatsuo Miyajima verwendet ebenfalls ein wiederkehrendes Motiv, leuchtende LED Ziffern, die unendlich von 1-9 oder 9-1 zählen. Counter sculpture benutzt diese spezifische Technologie nicht, sondern zeigt analog riesige Ziffern aus Spiegelglas. Jeden Tag wird eine neue Ziffer nach dem Zufallsprinzip gelegt. Dafür folgt man dem vorgezeichneten Schema auf dem Boden. Die mit dünnen weißen Linien markierten Formen geben den Rahmen für die Ziffern 1-9. Auch hier gibt es also das Spiel mit dem nicht Sichtb aren, das von den möglichen, nicht ausgefüllten Feldern hinterlassen wird.
Die Rolle der Spiegel ist hochsymbolisch. Sie lassen uns er kennen, dass wir in der Ersche inung der Wirklichkeit nur uns selbst spiegeln. Wir sehen die Gesetze der Natur nur durch unsere aktuellen wissenschaftlichen Modelle. Miyajimas Ziel ist es, uns die Begrenztheit dieses Systems vor Augen zu führen: es gibt nur 9 Ziffern, um eine unendlich große, nicht greifbare Wirklichkeit einzufangen.
Während Miyajima als Datenforscher in der Meteorologie ar beitete, fing Tony Cragg al s Chemielaborant an. Beide beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen Naturwissenschaft und Kunst. “Bei meiner Arbeit geht es mir nicht um eine Nachahmung der Natur oder Evolution, im Mittelpunkt stand vielmehr schon immer das enge Festhalten an den Grundlagen der Strukturfindung“. (Tony Cragg)
Die ausgestellte Arbeit Graphea I ist eine der ersten, in der Cragg die Zeichnung als eigenständiges Werk behandelt. Cragg spielt mit der Transparenz und Reflexion der Materie des Werkes. Die Zeichnung ist auf die schwarze Akrylfläche gekratzt und zeigt das Weiß der Wand. Der Titel der Arbeit scheint ein Wortspiel zu sein, er bezieht sich auf zwei Wirklichkeiten: Graphea ist der wissenschaftliche Name eines Schmetterlings, die Form der Arbeit lehnt sich daran an. Der lateinische Wortstamm graphis heißt Zeichnung. Beide Bedeutungen verschmelzen, wenn man bedenkt, dass es auch Zeichnungen auf den Flügen dieses Schmetterlings gibt. Ein wunderbares Beispiel für Tony Craggs Arbeitsweise, in der er stets versucht ein Netz zwischen Wörtern, Bedeutungen, Wirklichkeit und Kunst zu schaffen.