Uwe Hennekens montagehaften Kompositionen reaktivieren Stile verschiedener Epochen und konfigurieren diese neu. Vagabunden, Pierrots, Schlemihls, bunte Fratzen und Masken sind bereits bekannte Bewohner des "Imperium Schlemihlium". Einzeln oder in losen Zusammenschlüssen wandern sie durch leere Landschaften. Bezugnehmend auf Frederick Jackson Turners „Frontier Thesis“ bezeichnet Henneken seine skurrilen Figuren als Frontier People. Ähnlich wie die amerikanischen Pioniere begeben sie sich auf waghalsige Eroberungen eines unbekannten Landes und treten einer ungewissen Zukunft entgegen. Auffällig ist ihre überspitzte und grelle Farbigkeit, wodurch Hennekens Bilderwelten überzeitlich und überzogen wirken. Mit dieser Bildsprache, die zweifellos die Grenze zum Kitsch überschritten hat und damit einen echten Regelverstoß gegen die unausgesprochenen Übereinkünfte der letzten Jahrzehnte darstellt, geht auch Uwe Henneken – genau wie seine Frontier People – einen ganz eigenen Weg. Ohne Angst macht sich der Künstler selbst zum Randständigen, zum Unangepassten, zum Vagabundierenden und scheut sich nicht vor der Grenzüberschreitung.
Ausgangspunkt seiner Landschaftsmalerei bilden amateurhafte Landschaftsbilder von Flohmärkten, die Henneken modifiziert. Karnevalesk gemalte Vanguards blicken über den Horizont auf die verlassene Bildlandschaft und scheinen das Terrain für sich zu reklamieren. Die Figur des Vanguards bezieht sich auf eine bekannte Markierung von Gebäuden durch US-amerikanische Soldaten gegen Ende des zweiten Weltkrieges: ein über eine Mauer schauendes Gesicht mit länglicher Nase, runden Augen und sich festklammernden Händen. Begleitet von dem bekannten Slogan "Kilroy was here" wurden diese Graffitis zur ambivalenten Botschaft von Befreiung und Besatzung. In ihrer fast lächerlich wirkenden gigantischen Größe sehen Hennekens Vanguards mit glupschigen Augen über die tobende See oder wilde Landschaften und verwickeln den Betrachter in das Spiel des Beobachtens und Beobachtetwerdens.
Sind Hennekens Desperados und Vagabunden dabei nur als Alter Ego des Künstlers zu verstehen, oder vielmehr als seine allgemeingültige Forderung der Rückkehr zur Randständigkeit der Künstlerexistenz? In Zeiten, in denen Künstler wie Popstars in Hochglanzmagazinen präsentiert werden und ihre Auktionsrekorde zum elementaren Grundwissen über ihre Person avanciert sind, fragt Henneken nach der gesellschaftlichen Funktion bzw. Nicht-Funktion des Künstlers und plädiert zugleich für das romantische Modell der Künstlerexistenz, das frei bleibt von Hochglanz und Profitsucht.
Seine Protagonisten verlassen schließlich das Medium der Malerei und blicken den Betrachter auch als reale Konfiguration an. In alten Kisten hockend erkunden Hennekens Skulpturen (V.O.T.E. – Vanguards of the Elite) die Gegend. Es ist unklar, ob sie voller Freude bereit sind ein unbekanntes Gelände zu erobern oder ob sie mittlerweile Sehnsucht nach der alten Heimat verspüren und sich ängstlich verkriechen. Haben sie noch ein Ziel oder sind sie bereits auf der Flucht?
Hennekens hochformatige Leinwand Tiptoe to Tipperary kündigt die Sehnsucht jener Protagonisten nach einer Heimat an. Es ist das dritte Werk, welches die Fortsetzung einer Wanderung abbildet, in der die Figuren nicht mehr voller Tatendrang gezeigt werden, sondern von Heimweh geplagt nur noch scheinbar einen Ausweg suchen. Als Pioniere in einem Europa am Abgrund ist dieser Vortrupp in eine neue Welt und Kultur losgezogen, um sich nun auf Zehenspitzen davonzustehlen. Die farbenprächtigen Kanonen sind zwar noch für die Eroberung aufgestellt, doch Sehnsucht und Melancholie scheinen in den Bildprotagonisten aufzusteigen. Das Scheitern der hier zusammengerauften Einzelgänger ist stets greifbar. Die Ambivalenz zwischen Aufstieg und Niedergang kultureller Systeme spiegelt sich zudem in den zyklischen Jahreszeiten der Natur wieder. Diese idealisierte Natur erweckt das Gefühl einer bedrohlichen Konsequenz; eben die Konsequenz des Scheiterns. So, wie seine Figuren stets Neuland betreten, entwickelt auch Uwe Henneken seinen niemals stagnierenden Imperiumsgedanken weiter.