13.06.2007 - 05.08.2007
Das graphische Oeuvre von Joan Miró wurde museal erstmalig in Deutschland erst in den letzten Jahren gewürdigt.
Die Ausstellung mit dem Titel "Joan Miró – Fantastische Welten" rekrutierte sich aus den Beständen der Fundació Joan Miró in Barcelona, und war zunächst vom 29. November 2005 bis zum 15. Januar 2006 im Sinclair-Haus, ALTANA Kulturforum, in Bad Homburg v.d. Höhe, danach in der Kunsthalle Emden vom 28. Januar bis zum 2. April 2006 zu sehen.
Nach ihrer ersten Miró-Ausstellung im Frühjahr 2000 zeigt die Galerie Boisserée nun zum zweiten Mal eine Präsentation von über 70 ausgesuchten druckgraphischen Arbeiten sowie einigen Arbeiten auf Papier.
Joan Miró gehört ohne Zweifel zu den populärsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Dass der Katalane nicht nur Maler, sondern leidenschaftlicher Graphiker war, ist weniger bekannt.
Das Werkverzeichnis seiner Druckgraphik verzeichnet über 1300 Radierungen und über 1200 Lithographien. Für Miró hatte die Graphik immer eine besondere Bedeutung, kann sie auf Grund ihrer Verbreitungsmöglichkeit innerhalb ihrer Auflage eine Vielzahl von Menschen begeistern, während das Unikat meist nur in Museen dem Besucher zugänglich ist.
Die Kunst der Graphik entdeckt Miró für sich in den dreißiger Jahren. Während seine frühen, meist mit der kalten Nadel entstandenen Radierungen noch von der Stimmung des spanischen Bürgerkrieges beeinflusst sind, was in der Deformation von Körpern und Gegenständen ersichtlich ist, so entsteht ab den fünfziger Jahren die für ihn bekannte, stark farbige, gestisch abstrakte Formensprache. Hier entwickelt der Künstler eine wahre Leidenschaft für die Lithographie und die Radierung, kombiniert mit einer ungeheuren Experimentierfreudigkeit, was den Bereich der graphischen Umsetzung betrifft (siehe Nr. 10), und schafft so ein beeindruckendes graphisches Oeuvre.
Die Technik für seine ersten Radierungen erlernt Miró im Atelier des Künstlers Marcoussi. In den vierziger Jahren versucht er sich an ersten farbigen Radierungen und lernt u.a. die Weiterentwicklung dieser graphischen Technik im Atelier 17 von Stanley William Hayter in New York (siehe Nr. 6 und 7). Im Jahr 1948 entdeckt Miró für sich in Paris zunehmend die Möglichkeiten der Farblithographie im Atelier der Brüder Mourlot.
Seine Liebe zur dunklen, schwarzen Kontur, zum Schwarz als für ihn ultimative Farbe, nimmt zu. Ebenso wie Antoni Tàpies erlernt Joan Miró die von Henri Goetz in den 50er Jahren erfundene "Carborundumtechnik", die im Bereich der Radierung neue Wege hin zu einer plastisch wirkenden Schwarzplatte öffnet, die haptisch wahrnehmbare Reize beinhaltet. Beispiele für die mit Carborundumtechnik entstandenen Blätter in der Ausstellung sind das großformatige Blatt "Équinoxe" (Nr. 33) sowie die etwas kleinformatige Farbradierung "La demoiselle à bascule" (Nr.35).
Auch wenn gewisse Kompositionen seiner Graphiken zahlreiche Skizzen zur Grundlage haben, so entstand die eigentliche Druckplatte meistens in einem freien, spontanen und schnellen Schaffensakt.
Die Themen vieler seiner Blätter entnimmt Miró – wie in seiner Malerei – der Realität, aus dem Gesehenen. Dieses wird auch durch zahlreiche Titel untermauert, die einen Hinweis auf die vorhandene gegenständliche Thematik geben. Neben der Vielzahl abstrakter Formen findet der Betrachter immer wieder Tiere oder Pflanzen, Figuren oder Himmelskörper, die der Künstler zu phantastischen Bildwelten zusammenschmelzen lässt. Beispiele hierfür sind die Arbeiten "LÂ’oiseau comète" (Nr. 9) und das gesuchte Blatt "Famille dÂ’Oiseleurs" (Nr. 13).
Miró war als Graphiker auch immer wieder als Illustrator für bibliophile Bucheditionen tätig.
Zahlreiche seiner kleinformatigen Radierungen und Lithographien erschienen in Zusammenhang mit Bucheditionen. Die Ausstellung zeigt zum Beispiel vier Lithographien zu Patrick Waldbergs Buch "La Mélodie acide" (Nr. 68-71) und die frühe winzige Radierung "Chemin Faisant" (Nr. 19), die als Frontispiz zu einem kleinen Buch von Pierre André Benoit entstand. Ebenfalls die farbige Radierung "Ponts suspendus" zum Buch von Hélène Prigogine (Nr. 27). Als Beispiel einer besonders gelungenen bibliophilen Schöpfung befindet sich in der Ausstellung das Buch "Adonides", für das Miró 46 farbige Radierungen mit Blindprägung zu Gedichten von Jacques Prévert schuf (Nr. 53).
Mirós graphische Welt sind Landschaften, in denen der Betrachter spazieren gehen und dabei reiche Entdeckungen und Erfahrungen machen kann. Sei es das Lyrische im Spiel zweier einfacher, aufeinander treffender, abstrakter Formen (z.B. Nr.1), sei es das ursprünglich Kindhafte und Verspielte seiner Figuren, sei es die Fröhlichkeit der Farben, die einen spontan und emotional berühren. Zum Teil lässt sich Miró von Kinderzeichnungen oder Figurendarstellungen aus alten Kulturen anregen, was besonders schön an den beiden Blättern aus "L'enfance d'Ubu" (UbuÂ’s Kindheit) deutlich wird (Nr. 48 und 49), wo sich Miró mit der Jugend des Königs Ubu auseinandersetzt, der Hauptfigur des Theaterstücks von Alfred Jarry.
Obwohl in der Ausstellung schwerpunktmäßig das Spätwerk der 60er und 70er Jahre beleuchtet wird, so versucht sie doch durch die Auswahl der Blätter, das Image des Künstlers aufzubrechen, welches sich durch eine einseitige Kommerzialisierung in einigen Köpfen festgesetzt hat. Denn gerade die weniger spektakulären, zart farbigen Aquatintaradierungen zeigen die hohe Sensibilität und Leichtigkeit, die ebenfalls in Mirós Werk zu finden sind. Beispiele in der Ausstellung sind hier die Nummern 15, 26 und als großformatiges Blatt ""L'astre de labyrinthe" (Nr. 30).
Zu den letzten graphischen Arbeiten gehört die Serie "GaudÃ", die dem gleichnamigen katalanischen Architekten gewidmet ist. Die Ausstellung beinhaltet sechs der gesuchten, dichten, farbigen Radierungen (Nr. 61-66). Kurz vor seinem Tode entstanden 1981 in Paris Graphiken, die von Miró in seinem Atelier in Calamayor signiert wurden, und dort eingelagert blieben, bis nach seinem Tod die testamentarische Regelung getroffen war. Hierzu gehört die großformatige Radierung "La Marchande de Couleurs" (Nr. 72), ein Blatt von extremer Ausdruckskraft. Mit Hilfe der Carborundumradierung entstand ein barocker Kopf in Form eines kraftvollen Pinselstriches, verstärkt durch die reinen Spektralfarben der Aquatintaradierung. Die späten Lithographien aus der Serie "Allegro Vivace" (Nr. 74-78) zeigen noch einmal Mirós musikalischen und spielerischen Sinn und seine Freude am graphischen Schwarz, welches vermischte und verschlungene Figuren entstehen lässt.
Qualität und Quantität der Sammlung, die als Verkaufsausstellung derzeit in Europa eine Besonderheit darstellt, machen diese Ausstellung in Köln zu einem Muss für jeden Freund der farbintensiven Kunst Joan Mirós. Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog mit über 90 meist farbigen Abbildungen sowie Fotos des Künstlers bei der Arbeit an seinen Graphiken in Zusammenarbeit mit seinen Druckern. Die Fotos stammen von dem 1923 in Rorschach (Schweiz) geborenen Fotografen Ernst Scheidegger. Das Vorwort im Katalog schrieb Dr. Achim Sommer, Direktor des Max Ernst Museums Brühl. Der Katalog mit allen Abbildungen kann ab Ausstellungsbeginn über die Homepage der Galerie Boisserée virtuell durchgeblättert werden. Er wird gegen Zusendung eines Verrechnungsschecks über Euro 15 im Inland auch per Post zugeschickt.