23.10.2009 - 21.11.2009
Sebastian Diaz Morales setzt sich in seinen Videos und Videoinstallationen stetig mit den Möglichkeiten einer erweiterten filmischen Erzählform auseinander. Die Menschen in seinen Videos erscheinen häufig wie Statisten einer Szenerie, in der sich kultivierte Landschaften und urbane Orte zurückverwandeln in scheinbar unbewusst werdende, renaturalisierte Räume. Dort, wo Menschen eine Gegend urbar machten, die Natur nach ihren Zwecken ausrichteten, entwickelt sich in Diaz Morales Videos und Installationen scheinbar eine ‚zweite NaturÂ’, in der, kaum weniger ursprünglich als die gezähmte erste, eine durchscheinende, aber dem Betrachter nie in ihren Ursachen nachvollziehbare Logik herrscht. Diaz Moral entwirft poetische Erzählungen des Lebens der äußeren Natur. Beeinflusst sowohl vom südamerikanischen Avantgarde-Kino als auch von der nordamerikanischen Dokumentarfotografie, entsteht so eine visuelle Welt, in der sowohl der Symbolismus des ersteren, als auch die strenge Linienführung der letzteren in neuer Form zusammenfinden. Diaz Morales erzählt die in den Landschaften und Dingen versenkten Historien.
In The way between two points (Terra Incognita) durchquert ein Mann eine karge Landschaft, deren einzige Orientierungspunkte, Wracks, Ruinen und Ölpfützen sind. Diaz Morales kartographiert hier, mit der Wanderung dieses Mannes ein Gebiet Patagoniens, das sich binnen der letzten 100 Jahre von der lebensfeindlichen „Terra Incognita“, welche Charles Darwin von der Küste aus erforschte, zu einem durch die Industrie des 20. Jahrhunderts verwüsteten Landstrichs entwickelte. Der Film wird eingeleitet von dieser kurzen Information und begleitet im Folgenden die Schritte des in Jeans und Arbeiterstiefel gekleideten Mannes. Seine Kleidung erinnert an die Arbeiter, die hier zur Gewinnung des Öls lebten. Er durchquert eine Landschaft, welche verbraucht wurde, deren zerstörte, mit Graffiti übersäten Häuserruinen, offene Ölquellen und geteerte Strassen und vereinzelten Monumente sich wie eine Indiziensammlung der Zersetzung zusammenfügen, in welcher sich weder Raum noch Zeit eindeutig bestimmen lässt. Dieses Moment der Unbeschreibbarkeit von Zeit in Diaz MoralesÂ’ Werk findet sich als Motiv in beiden neuen Filmen wieder. Die Gegenwart des Films beschreibt und erzählt von einem Ort mit offensichtlicher Vergangenheit in einer bereits eingetretenen Zukunft.
Den Drehort, den Diaz Morales für diese Zweikanalvideoarbeit verwendet, war schon Schauplatz für zwei frühere Arbeiten Enigmatic Visitor, 2003 und Parallel 46, 1998. The way between two points (Terra Incognita) setzt Fragmente eines weiteren, 82minütigen Filmes, welcher 2010 zum ersten Mal gezeigt wird, zusammen zu dem entropischen Portrait einer Region, die durch ihre Urbarmachung verwilderte. In dieser Nachzeichnung der Urgeschichte inmitten der industriellen Zivilisierung der Natur erinnert Diaz Morales Video an die Arbeiten Robert Smithsons, der in seinen Texten, Skulpturen und Installationen den entropischen, zersiedelten Zustand der amerikanischen Vorstädte sichtbar werden ließ, indem er, wie Diaz Morales Arbeiterfigur, den nicht mehr erfahrbaren Raum durchschritt und ihn durch seine Arbeiten reformulierte.
Diese Reformulierung steht im Zentrum der zweiten Videoarbeit dieser Ausstellung, der titelgebenden Installation Water from the moon. Der Erzähler steht, dem Zuschauer den Rücken zugekehrt, mit nacktem Oberkörper in einer spärlichen, lichtdurchströmten Behausung. Nachdem die Kamera die Umgebung, die gewässerten Bäume im Garten abgefahren hat, beginnt er einen improvisierter Monolog, in dem er versucht, die Erfahrung einer unwirklichen und unwirtlichen Lebensumwelt neu zu fassen, ihr durch die Neuzusammensetzung der Elemente, des alles dominierenden Himmels und der Arbeit, einen poetischen und erinnernden Sinn zu erschließen. Der Erzähler beschließt seinen Monolog mit den Worten „Water from the moon“, einer Metapher für eine unmögliche Existenz.
Erst zum Ende des Videos wird deutlich, dass der Arbeiter des anderen Films mit dem Erzähler zusammen in demselben Raum sitzt. Er blickt, ohne zu fixieren, scheint zur Rede anzusetzen, ohne sprechen zu können, wirkt berührt, ohne selbst mehr als nur Ausdruck des Monologs des Erzählers werden zu können. Sebastian Diaz Morales neueste Arbeiten berichten von einer Sprache jenseits des Funktionalen, die sich in Video und Audio an die Objekte und Umgebungen haftet, um aus ihnen einen neuen Blick zu öffnen.