Man tauscht normalerweise mit Waren, nicht mit Menschen. Doch von dem "Bevölkerungsaustausch" zwischen Griechenland und der Türkei vor hundert Jahren waren über 2 Millionen Menschen betroffen. Griechinnen aus Anatolien und Türkinnen aus Griechenland mussten ihre Heimat verlassen. Heute soll jeder Fünfte in Griechenland und jeder Fünfzehnte in der Türkei Nachfahr*in dieser systematischen Entwurzelung sein. Neben den im 20. Jahrhundert aufkommenden Nationalstaatsideen war vor allem religiöse Zugehörigkeit eine Trennlinie, die zu Gewaltexzessen und Vertreibungen führte. Die Idee einer nach ethnischen und religiösen Prinzipien organisierten Umsiedlung hat unvorstellbares Unglück und Elend auf beiden Seiten der Umgesiedelten erzeugt. Ein bis heute nicht geheiltes "Heimatweh". Bis heute wissen nur wenige über diese Zeit. In den Massakern und Vertreibungen liegen nicht nur unendliche Tragödien begraben, sondern auch ein wichtiger Teil der Geschichte des 20. Jahrhunderts, der zu einem grausamen Vorbild, ja nahezu zu einem Modell wurde. Die bis heute schwelenden Konflikte zwischen der Türkei und Griechenland haben ihre Wurzeln in den historischen Erinnerungen und Traumata, die für die griechische als auch die türkische Identität essenziell sind. Mit den Kampfbegriffen: Nation und Religion. Es scheint die Zeit heilt alles, nur nicht die Wunden. (Text: Verleih)