05.05.2012 - 15.07.2012
1951 hielt sich der Kulturfilmer Alfred Ehrhardt fünf Monate in Portugal auf, um den 92-minütigen Schwarz-Weiß-Film Portugal – Unbekanntes Land am Meer zu drehen, für den er seinen dritten Bundesfilmpreis erhielt. Es war der erste abendfüllende Kulturfilm, der nach 1945 von einem Deutschen im Ausland gedreht wurde. Aus dem Material entstand der Kurzfilm Das steinerne Antlitz Portugals, der das Prädikat Besonders Wertvoll erhielt. Sieben Jahre später führte ihn eine zweite Reise nach Portugal, wo er, unterstützt von der portugiesischen Regierung, die Kurzfilme Die Küste der Fischer (Prädikat Wertvoll), Korkland Portugal (Prädikat Besonders Wertvoll), Portwein (Prädikat Wertvoll), Das Boot von Torreira (Prädikat Wertvoll) sowie Iberische Skizzen drehte – in Farbe.
Wie so häufig fotografierte Ehrhardt parallel zur Filmarbeit. Das annähernd 400 Fotografien umfassende Konvolut wird nun erstmals in einer Auswahl der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ebenfalls zu sehen sein wird der preisgekrönte Film Portugal – Unbekanntes Land am Meer. Fritz Kempe, Leiter der Staatlichen Landesbildstelle Hamburg, befand: „Was sonst bei programmfüllenden Kulturfilmen selten zutrifft, das ist hier weitgehend gelungen, nämlich einen spannenden und in sich zusammenhängenden Bogen zu schlagen. Besonders lobenswert scheint mir die meisterhafte Fotografie, die auch die geographische Struktur Portugals außerordentlich wirksam hervorhebt.“
Portugal in den 1950er Jahren – das sind Bilder aus einer Zeit, als man noch Lasten auf dem Kopf trug und barfuß lief, das Korn auf den Feldern mit einer Handsichel schnitt, den Wein unter Musikbegleitung erntete und die Trauben mit den Füßen kelterte, Sardinen und Thunfische mit Netzen per Hand einholte und Kork das einzige Material war, mit dem man Flaschen stopfte. Die auch für damalige Verhältnisse exotische Anmutung der archaischen Produktionsmethoden erscheint nicht nur dem heutigen Betrachter wie Bilder aus einer anderen Welt, sondern übte schon auf Ehrhardt sichtbar große Faszination aus. Für ihn war das Leben der Portugiesen „von einer biblischen Einfachheit und von besinnlicher Heiterkeit“. Wenngleich der Schwerpunkt des Films – und somit auch der Fotografien – auf der folkloristischen Tradition des Handwerks liegt, so wird Portugal doch auch als Land der Gegensätze zwischen Vergangenheit und Gegenwart gezeigt. Ehrhardt filmt und fotografiert die Luxusdampfer und den Flugboot-Landeplatz im Hafen von Lissabon oder die Neubauviertel im Norden der Hauptstadt genauso wie die maschinelle Fabrikation von Sardinenkonserven und Korkprodukten.
Wie bei allen seinen Filmen zeichnete Ehrhardt für Regie, Kamera, Schnitt und Produktion verantwortlich. Aber er verwendete auch vor Ort aufgenommene Geräuschkulissen und portugiesische Musik wie die Choräle der Gläubigen in der Wallfahrtskirche zu Fatima.
Alfred Ehrhardt fertigte mit seinem geschulten Blick für Komposition, Abstraktion und Grafik eine „künstlerische Reportage von dokumentarischem Wert“ (Die Welt, 1952). „Ehrhardt gelingen betörend schöne Bilder; selbst wenn er so nüchterne Gegenstände wie eine Korkfabrik beschreibt, entdeckt er reizvolle und verblüffende Perspektiven. So wird dieser Film ein ästhetischer Genuss; seine dichten Stimmungsbilder erschließen unserem Bewusstsein das Land Portugal vielleicht eher als es strenge Sachlichkeit vermocht hätte.“ (Berliner Morgenpost, 1952)