17.02.2008 - 27.04.2008
Seit Jahrzehnten zählt der am 27. Februar 1928 in Wien geborene Grafiker, Zeichner, Maler und Bildhauer zu den international herausragenden Vertretern der figurativen Kunst. Neben Druckgrafiken und Zeichnungen sind insgesamt 41 Bilder aus der Zeit von 1968 bis 2006 in Wittlich zu sehen. Aquarell, Rötel, Kohle, Kreide, Tinte, Stempelfarbe, Filzstift sowie die Radierungen mit Aquatinta oder Mezzotinto gehören zum Repertoire der unterschiedlichen Materialien und Techniken. Alle Exponate stammen aus Künstler- und Privatbesitz. Dank der intensiven Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Wittlicher Galerie Bose, die seit 1974 mit dem Künstler in enger Verbindung steht, ist es möglich geworden, diese ausgewählte Übersichtsschau im Georg-Meistermann-Museum zu zeigen.
Nach dem Kunstwissenschaftler Professor Thomas Zacharias “fügt sich Hrdlicka gewaltiges Werk weder in die Westkunst noch in die Ostkunst, weder in die Leitlinien der Moderne noch in die der Postmoderne. Als herkulischer Einzelkämpfer der Figuration wetterte er bild- und wortgewaltig gegen die Diktatur des “Abstraktiven', gegen ‚Kunstbetriebsschmarotzer' oder ‚Blockwarte der Westkunst'”. Mit Blick auf den “Chaoten” Hrdlicka stellt der jüdische Schriftsteller und in Bulgarien geborene Nobelpreisträger Elias Canetti fest: Er “schämt sich der Welt nicht, denn sie ist zu entsetzlich ... Seine Keuschheit ist, dass er sich nicht reiner gibt als die Welt. Er ist nicht besser als das Entsetzlichste, das er erfährt”. Hrdlicka selbst beschreibt den Leitsatz seiner bildnerischen Tätigkeit mit den beziehungsreichen Worten: “Alle Macht in der Kunst geht vom Fleisch aus” und “Alle macht in der Religion geht vom Fleisch aus”. Ein programmatisches Doppel-Bekenntnis, das in zentraler Weise das thematische und inhaltliche Anliegen seiner figurativen Bildersprache zum Ausdruck bringt.
Ein weiteres Merkmal seiner durchaus auch verunsichernden bis verstörenden Bilderwelt ist die intensive, zeitgenössisch aktualisierte Auseinandersetzung mit unter anderem biblischen, historischen, biographischen, psychologischen, gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen. Wobei immer wieder der geschundene Mensch, das realitätsnahe Menschbild sowie die abgründige, manchmal auch bestialisch anmutende “conditio humana“ thematisiert wird. Unmissverständlich weist der zweifach studierte Maler und Bildhauer mit Blick auf seinen kompromisslosen Arbeits- und Denkansatz hin: “Ich will eine Bilderwelt mit Kommentaren schaffen ... Meine Arbeiten bilden eine Kombination aus Wort und Bild, was nichts mit Illustration zu tun hat. Dabei besteht jedes Bild auch für sich selbst”.
Hrdlicka, den die Londoner Presse 1986 als den “Bert Brecht” der bildenden Kunst bezeichnet hat, sucht nicht nur nach künstlerischen Grenzerfahrungen, sondern ebenso nach einer kritisch analytischen Auseinandersetzung mit dem bürgerlichen Idyll der heilen-Welt-Ideologie. Als politisch nicht angepasster, rebellischer Querdenker will er zuspitzen, anklagen und provozieren. Die Provokation jedoch kommt niemals als eitler Selbstzweck daher. Vielmehr ist sie für ihn die notwendige Voraussetzung, um sich öffentliches Gehör für seinen demaskierenden Aufklärungsfeldzug zu verschaffen. Exemplarisch, eindrücklich und facettenreich belegen dies seine in Wittlich ausgestellten Bilder zu den Bauern-, Türken- und Glaubenskriegen, ferner die Arbeiten, die sich unter anderem mit der französischen Revolution, Mozart, Tolstoi, Schubert, Heine, Rodin, der Alltagswelt, der Prostitution oder der Psychiatrie auseinandersetzen.
Die Ausstellung “Alfred Hrdlicka zum 80. – Ausgewählte Druckgrafiken und Zeichnungen” ist im Georg-Meistermann-Museum vom 17. Februar bis 27. April 2008, dienstags bis freitags von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr, samstags von 11 bis 17 Uhr, sonntags und feiertags von 14 bis 17 Uhr, bei freiem Eintritt zu sehen. Zur Finissage am Mittwoch, den 23. April 2008, 19.30 Uhr, wird für die Öffentlichkeit ein kostenfreier Ausstellungsrundgang mit Dr. Justinus Maria Calleen, Anne-Dorothee und Dr. Eckhard Bose angeboten.