Zur Eröffnung der neuen Sonderausstellung „Röhr – Die Sicherheit selbst!“ konnte der Geschäftsführer des August Horch Museums, Rudolf Vollnhals, wieder zahlreiche Gäste begrüßen. Nach einer kurzen Einführung durch Herrn Vollnhals zeigte der Röhr-Experte, -Forscher und -Sammler Werner Schollenberger den Eröffnungsgästen viele interessante Facetten und Neuigkeiten aus der Geschichte des im Odenwald gegründeten Unternehmens auf.
Gleich im Anschluß an die Sonderausstellung, mit der der Chemnitzer Marke PRESTO gedacht wird, ehrt das Zwickauer August Horch Museum ab dem 29. September gleich noch eine weitere vergessene Fahrzeugmarke, nämlich die hessische Marke Röhr. Die Sonderschau kam aufgrund einer Zusammenarbeit speziell mit Werner Schollenberger von der Automobilhistorischen Gesellschaft zustande. Sein privates Archiv dient der Ausstellung als roter Faden.
Ende 1926 gründete der Automobilkonstrukteur Hans Gustav Röhr die Röhr Auto AG. Das neue Unternehmen übernahm die Werksanlagen der Falcon Automobilwerke in Ober-Ramstadt in Hessen. 1927 begann die Produktion des Röhr 8, des ersten deutschen Autos mit Einzelradaufhängung, Tiefkastenrahmen und Zahnstangenlenkung. In Leichtbauweise gefertigt wog er nur 1000 kg. Dieser Wagen war ein Meilenstein der europäischen Automobilentwicklung!
Autoausstellungen in Berlin, Paris und Genf machten den, wegen seiner fortschrittlichen Bauweise als „Sicherster Wagen der Welt“ bezeichneten, Röhr 8 zu einem Begriff. Die Auftragsbücher der kleinen Firma füllten sich. Im Jahr 1929 fanden bis zu 800 Menschen Arbeit bei Röhr. Dann erfasste 1930 die Weltwirtschaftskrise auch die Röhr - Werke und das noch junge Unternehmen musste Konkurs anmelden.
Doch konnte 1931 mit neuen Geldgebern die Produktion weitergeführt werden. Ohne Hans Gustav Röhr an der Spitze, stellten die Neue Röhr Werke AG noch die Modelle Typ F und Typ FK, sowie Junior vor, für die bekannte Konstrukteure wie Ferdinand Porsche und Hans Ledwinka verantwortlich waren. Insgesamt wurden bis 1935 rund 4000 Fahrzeuge gefertigt. Besonders der Röhr Junior konnte auch auf sportlichen Veranstaltungen wie zum Beispiel bei der Deutschlandfahrt 1933 und 1934 oder der Alpenfahrt 1933 und 1934 Erfolge erzielen.
Aber auch die Zeit der Neue Röhr Werke AG war abgelaufen. Mangelnder Absatz und dadurch bedingte finanzielle Probleme, die sich auch auf Grund der „Arisierung“ der Nationalsozialisten ergaben, setzten der von jüdischen Geldgebern getragen Firma ein Ende.
Die Produktionseinrichtungen des Junior und zum Teil noch vorhandenes Material kauften die Stoewer Automobilwerke aus Stettin den Röhr-Werken ab. Die Firma Noll & Monnard übernahm die restlichen Materialbestände für den Röhr 8 und führte in den Räumen der ehemaligen Reparaturabteilung Wartungsarbeiten an Röhr-Wagen durch. Bis 1939 konnten sogar noch auf Wunsch Röhr 8 Typ F und auch Röhr Junior montiert werden. Danach war das Kapitel „Automobilbau“ in Ober-Ramstadt endgültig beendet.
Die Ausstellung, die so viele Röhr-Wagen wie nirgendwo anders in der jüngeren Vergangenheit präsentiert, räumt der Geschichte der Röhr-Automobile breiten Raum ein. Zu sehen sind unter anderem eine Röhr 8 Typ RA Cabrio-Limousine, Baujahr 1931, aus dem Besitz der Familie Röhr, die Stromlinienlimousine Röhr 8 Typ F, ein Röhr Junior Sportroadster, Baujahr 1934, ein Junior Limousinen-Cabriolet sowie ein Junior-Scheunenfund.
Über die Biografie von Hans Gustav Röhr sowie den Weg seines Teams um Joseph Dauben kann sich der Besucher ebenso informieren wie über Technik und Modellentwicklung. Werner Schollenberger, maßgeblich beteiligt an Auswahl und Zusammenstellung der Exponate, erstellte zudem eine Broschüre über die Geschichte, die über das August Horch Museum zum Preis von 9,- Euro vertrieben wird.
Durch den Automobilbau existieren historische Bande von Hessen nach Zwickau – belegbar suchte Röhr in den späten 1920er und Anfang der 1930er Jahre den Schulterschluss mit Wanderer und Audi sowie später mit der Auto Union! Es gab Verhandlungen zur Zusammenarbeit, ja gar zur Fusion!
Der im hessischen Ober-Ramstadt gebaute Röhr 8 war in der gleichen Automobilklasse angesiedelt wie der Horch 830 aus Sachsen. Deshalb überlegten die Verantwortlichen bei Horch das Chassis des Röhr 8 Typ F für den Horch 830 zu übernehmen.
So mancher Röhr 8 erhielt eine Karosserie des sächsischen Karosserieherstellers Gläser. Beispielhaft für diese hessisch-sächsische Verbindung ist der schöne Röhr 8 Typ F des Verkehrsmuseums in Dresden.
Zudem sind der Landkreis Zwickau und der Landkreis Darmstadt-Dieburg seit der Wendezeit Partnerschaftskreise. Die aktuellen und historischen Verbindungen könnten in der Ausstellung aufgezeigt werden.
Heute existieren von den rund 4000 gebauten Wagen nur noch etwa 30 Stück.