Im Zentrum der Gemälde, Skulpturen und Textarbeiten von EULER, die 2008 ihr Studium an der Städelschule in Frankfurt a. M. abschloss, steht die Befragung der Identität, wie sie heute von kulturellen, sozialen und technologischen Kräften geformt wird. EULER gehört zu einer Generation von KünstlerInnen, die vollumfänglich mit dem Internet als eigenständige Realitätsebene aufgewachsen sind und die dadurch veränderten gesellschaftlichen Prozesse, Weltanschauung wie auch Selbstwahrnehmung und Identitätsbildung behandeln. Im Fokus liegen dabei geschlechts spezifische Fragestellungen sowie die Rolle der Künstlerin in der Gesellschaft.
Die Arbeiten der Künstlerin zeichnen sich durch einen starken visuellen Eklektizismus aus. Formal variiert ihre Malerei – die den Kern ihrer künstlerischen Praxis bildet - zwischen expressiver Figuration und mystisch aufgeladenen Formen und kann abstrakte oder hyperrealistische Züge annehmen. Dabei zitiert die Künstlerin nicht direkt, sondern nutzt Stil und Art des Malens als reflexive Mittel für ihre Themen. In der Arbeit Nude climbing up the Stairs (2014), in welcher sie die männliche Gestalt des Nu descendant un escalier (1912) von Marcel Duchamp mit ihrer eigenen Figur austauscht und die Bewegung umkehrt, setzt sie sich zum Beispiel mit der offenen Beziehung zwischen Inhalt und Kontext, Maler/in und Betrachter/in, Subjekt und Objekt auseinander. Mittels diverser Interpretationsarten des Verhältnisses zwischen Psyche und Körper und/oder zum Beispiel der Darstellung von fragmentierten oder deformierten Körperteilen untersucht sie spielerisch die Qualitäten und den Ursprung von Gefühlen, auf die auch der Titel der Ausstellung Where the Energy Comes From hinweist.
Genauso wichtig in ihrer Arbeit ist das Verhältnis von Text zum Bild, in welchem die Spannung zwischen dem Abgebildeten und der Sprache – im Titel, direkt im Bild, evoziert durch das Motiv oder auf den Wänden des Ausstellungsraums – zu einer neuen und komplexeren Ebene der Lesbarkeit führt. Denn neben ihrem malerischen Werk greift EULER in ihren Ausstellungen immer wieder in den Raum ein und fügt damit dem einzelnen Bild sowie dem Ausstellungsbesuch und der Kontextualisierung der Inhalte eine weitere Ebene hinzu. Dabei geht es ihr unter anderem um das Hinterfragen von aktuellen Sehkonventionen, die heute mehr denn je von der digitalen Bildrealität geprägt sind. Die Eingriffe, meist einfache Gesten wie ein Schriftzug (When expectations meet needs, Cabinet, London, 2013), der nur aus einer Perspektive zu lesen ist, oder das Aufbringen von Konturen (In, Dependance, Brüssel, 2014), die die Galerie in ein direktes Verhältnis zu der zweidimensionalen räumlichen Darstellung in ihren Bildern setzten, sind Beispiele dafür, wie sie es versteht, ihre Malerei zu erweitern.