Auch wer mit leeren Händen auswandert, nimmt etwas mit: seine Sprache. Und wer in ihr zu lesen gelernt hat, den verlangt es nicht allein nach dem vertrauten Sprachklang, sondern auch nach dem gewohnten Schriftbild. Vielen deutschen Auswanderern nach Nordamerika ging es nicht anders. Nachdem erst einmal 1728 das erste deutschsprachige Buch jenseits des Atlantiks gedruckt worden war, gab es bis in die Mitte des 20. Jahrhundert hinein kaum einen Titel, der nicht verlegt worden wäre: Von der Bibel bis zum „Kommunistischen Manifest“, von Goethes „Faust“ bis zum „Trompeter von Säckingen“. Die neue Kabinettausstellung „Von der Lutherbibel zur Räuberpistole. Bücher für deutsche Einwanderer in Amerika 1728-1947“ gewährt ab dem 13. April 2014 anhand von seltenen Erstausgaben und eindrücklichen Reproduktionen einen Blick auf das Furiose wie das Kuriose dieser deutsch-amerikanischen Verlagsproduktion.
Während der Kolonialzeit dominierte den deutsch-amerikanischen Buchdruck die Verlegerfamilie Sauer, deren Begründer Christoph Sauer 1724 in die britischen Kolonien eingewandert war. Durch seine Verlegertätigkeit machte er Germantown, die erste deutsche Ansiedlung in Nordamerika überhaupt, zum bedeutenden Druckort. Hier erschien 1743 die erste vollständige Bibel der „Neuen Welt“ – in Luthers Übertragung. Finanzieren konnte Sauer dieses religiöse Projekt durch den Verkauf von stark nachgefragten astronomischen „Kalendern“.
Für das Jahrhundert zwischen 1730 und 1830 können heute insgesamt rund 3.000 gedruckte deutschsprachige Titel nachgewiesen werden. Pennsylvania, das am Anfang das Hauptziel deutscher Einwanderung bildete, entwickelte sich zunächst zum Zentrum der deutschsprachigen Buchherstellung - aber Druckereien entstanden nahezu überall, wo sich Deutsche ansiedelten.
Im Zuge der deutschen Masseneinwanderung des 19. Jahrhunderts gewann dann New York zentrale Bedeutung für die sich seit den 1830er Jahren etablierende Praxis, Bücher deutsch-kontinentaler Verleger in Amerika nachzudrucken. In George Munros „Deutscher Library“ zum Beispiel erschien ein Werk der populären Unterhaltungsliteratur nach dem anderen - „und das, nachdem diese Romane nur eben erst in Deutschland die Presse verlassen hatten“, wie ein Zeitgenosse erstaunt bemerkte.
Als im auslaufenden 19. Jahrhundert die deutsche Einwanderung stark zurückging, versiegte damit die Quelle des deutschsprachigen Buchdrucks. Die Belebung der Produktion durch die deutschen Exilverlage während des Nationalsozialismus blieb ein Zwischenspiel. Gegen dessen Ende hin erschien 1946 Franz Kafkas „Amerika“. Wenn dieser Roman heute „Der Verschollene“ genannt wird, dann ist es, als wollte der Namenswechsel etwas über die verlorene Bedeutung des deutschsprachigen Buchdrucks in den USA andeuten.