14.11.2010 - 29.05.2011
Die Ausstellung im Deutschen Goldschmiedehaus Hanau bietet einen faszinierenden Gang durch die Geschichte der am Körper getragenen Uhr, an der Frankreich, England, die Schweiz, die USA und Deutschland maßgeblichen Anteil hatten.
Die Taschenuhr ist ein Kulturträger erster Ordnung. Dieses Thema wird nun erstmals aufgegriffen und durch die Präsentation in Hanau in den Blickpunkt gerückt. Es gibt kaum ein Objekt, in dem unsere Kultur, unsere Kunst und unsere Zivilisation in höherem Maße in irgendeiner Form einen Niederschlag gefunden hätte, als in der Taschenuhr " sei es an den Zeigern, an den Ziffern, am Zifferblatt, am Gehäuse oder an ihrem technischen Teil, dem Uhrwerk.
Die Taschenuhr und ihre an Gürtel, Hals oder am Gewand getragene Variante war über einen Zeitraum von rund vierhundert Jahren zahlenmäßig die verbreitetste Uhrenart. Sie war von Beginn an auch Schmuck und Ausdruck der Persönlichkeit ihrer Träger.
Kein Wunder, dass gerade die Taschenuhr sich in besonderem Maße anbot, neben der Zeitinformation und der Zeitmessung, Träger von Einflüssen aus den verschiedensten Bereichen des menschlichen Seins zu werden. Sie war immer auch Spiegel der Moden und der Stilrichtungen ihrer Zeit. Diese Einflüsse waren prägend für all ihre Komponenten.
Das Uhrwerk lässt an seiner stilistischen Ausprägung den Wandel von der Renaissance bis in das angehende 19. Jahrhundert nachvollziehen.
Das Gehäuse und das Zifferblatt bieten geradezu ideale Träger-Voraussetzungen hinsichtlich ihres Materials, ihrer Form und ihres Dekors. Das Gehäuse ermöglicht außerdem Reliefgestaltung, das Zifferblatt Skalierungen jeder Art und Ausschnitte für bewegliche Indikationen.
Die Ziffern - in Form und Setzung der jeweiligen Zeit entsprechend römisch oder arabisch, sodann gotisch, kubistisch, konstruktivistisch, orientalisch und fernöstlich. Dazu kommen Strich- und Leuchtzahlen. Des Weiteren Ziffern auf Buckeln, auf verschiebbaren Segmenten, auf drehenden Skalenscheiben oder auf springenden Zahlenscheiben sowie Tastknöpfe.
Die Zeiger - es erstaunt, was bei dem minimalen Metalleinsatz möglich war. Ihre Ausformung und Materialität können die Abfolge von kunstgeschichtlichen Stilen, politischen Gegebenheiten, den Einfluss einer Religion oder eines Kulturkreises, die Zugehörigkeit zu einem Berufsstand oder einer Organisation, Bezüge zur Flora, den Fortschritt der Wissenschaft oder ihre Provenienz zum Ausdruck bringen.
Daneben gibt es Zeigerpaare, deren Schmuck das Logo der Uhrenmarke bildet sowie ein Zeigerpaar, das selbst zum bis heute gültigen Logo einer Exklusiv-Marke geworden ist.
Das Design der Nachfolgerin der Taschenuhr, der Armbanduhr, mit ihrem Reichtum an Kreativität schöpft nach wie vor auch aus dem Repertoire der Vergangenheit. Zeigerformen und Zifferntypen kehren wieder, oder - das nun auf die Spitze der Ästhetik der Mikromechanik getriebene zifferblattseitig rotierende Tourbillon, dessen Ursprung auf die Zeit um 1800 zurückgeht.
Über das hier Skizzierte hinaus nimmt die Taschenuhr in einer zweiten Hinsicht eine Sonderstellung ein. Sie ist ein Kleinod, das als Träger der Erinnerung von Generation zu Generation weitergereicht wird - und dies nicht nur im privaten Umfeld.
Eine goldene Taschenuhr des Mitgründers und ersten Vorsitzenden einer politischen Partei wurde über Jahrzehnte hinweg in der Parteispitze weitergegeben, bis sie - inzwischen zur Legende geworden - gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts in einem parteinahen Stiftungsarchiv Aufnahme fand.