02.12.2011 - 04.03.2012
Rund 30 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands sind von Wald bedeckt. Er zeigt sich dem Betrachter heute als eine Mischung aus Wirtschafts- und Erholungsraum, er dient als Holzlieferant und Jagdrevier, Trimm-Dich-Pfad und Übungsgelände für Reiter und Mountainbiker, zum Pilze sammeln oder einfach der Entspannung und Muße. Der Wald ist vom Menschen geformte, sich ständig verändernde Kulturlandschaft, Produkt nachhaltiger Forstwirtschaft und moderner Freizeitgestaltung. Und doch erscheint er uns nach wie vor als Idealbild von Natur, als gleichsam organisch gewachsene, unwandelbare Gegenwelt zur Zivilisation. Wälder und Bäume besitzen hohe Symbolkraft, sie waren und sind Gegenstand der Dichtung, Kunst und Musik, können Ideale wie Ideologien verkörpern. Eine geschmückte Tanne ist für viele auch heute unverzichtbarer Mittelpunkt der "deutschen Weihnacht" und die knorrige Eiche gilt im In- und Ausland als Urbild deutscher Mentalität. Wenn der Wald gefährdet erscheint, wenn Waldgebiete weichen sollen, gehen die Deutschen auf die Barrikaden.
Damit sind gewiss nur Ausschnitte aus möglichen Mensch-Wald-Beziehungen skizziert. Doch sie genügen, um den kulturgeschichtlichen Ansatz der geplanten Ausstellung zu verdeutlichen: Unser Bild vom Wald ist eine von ästhetischen, gesellschaftlichen, nationalen und wirtschaftlichen Wertmaßstäben geprägte Wald-Konstruktion. Wir begegnen ihr in den kunstvoll angefertigten Intarsien auf den Jagdbüchsen-Kolben des 17. Jahrhunderts ebenso wie auf Postkarten des späten 19. Jahrhunderts, auf denen der Wald zur Kulisse für touristisch erfahrbare Naturerlebnisse wird.
Diese allmähliche Verfertigung des Waldes zur Imaginations- und Projektionsfläche für künstlerische, moralisch-pädagogische und politisch-ideologische Vorstellungen sollen zur Anschauung gebracht werden, ohne dass der "reale" Wald als Naturraum vernachlässigt wird. So findet der Wald als Holz und andere Produkte liefernder Wirtschaftsfaktor in der Ausstellung ebenso Beachtung wie etwa seine Bedeutung als romantische Sehnsuchtslandschaft in einer zunehmend bürgerlichen Gesellschaft, seine Rolle als Inbegriff nationaler Identität bis hin zu der von europäischen Nachbarn überwiegend ungläubig aufgenommenen "Waldsterbens" Debatte der 1980er Jahre.
In einem reich bebilderten Essayband werden international renommierte Fachleute aus den Bereichen Geschichte, Kunst-, Kultur- und Umweltgeschichte, Forstwissenschaft und Volkskunde die genannten Themen vertiefen.