28.02.2013 - 15.09.2013
In seinem »aus fünfzehn Zettelkasten gezogenen« Leben des Quintus Fixlein entwirft Jean Paul eine Architektur der Phantasie: »Gedächtnis ist nur eine eingeschränktere Phantasie. Erinnerung ist nicht die bloße Wahrnehmung der Identität zweier Bilder, sondern sie ist die Wahrnehmung der Verschiedenheit des räumlichen und zeitlichen Verhältnisses gleicher Bilder. Die fünf Sinne heben mir außerhalb, die Phantasie innerhalb meines Kopfes einen Blumengarten vor die Seele; jene gestalten und malen, diese tut es auch; jene drücken die Natur mit fünf verschiedenen Platten ab, diese liefert sie alle mit einer«. In Zettelkästen werden Lesefrüchte und Schreibeinfälle gesammelt und einsortiert, vernetzt und verschachtelt und – durch Glücksaufschläge, Buchstaben- oder Zahlencodes – immer wieder in neue Zusammenhänge gebracht. Eine große Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne stellt einige der berühmtesten Maschinisten solcher Phantasiemaschinen in den Mittelpunkt. Sie zeigt, wie die Zetteleien u.a. von Jean Paul, Arno Schmidt, Walter Kempowski, Hans Blumenberg, Niklas Luhmann, Reinhart Koselleck und Aby Warburg im Inneren funktionieren. Wie sind sie angelegt, durch was werden sie in Gang gesetzt, wohin führen sie, wenn man den Instrumenten und Bausteinen der Phantasie auf der Spur ist? Wie entwirft man etwas? Wie erinnert man sich? Wie lässt man es denken und schreiben? Die Geschichte des verzettelten Lesens, Denkens und Schreibens wird dabei ebenso thematisiert wie die flacheren Architekturen solcher Phantasiemaschinen: das Notizbuch, der digitale Zettelkasten und das Diagramm. Ein einmaliges Panorama der Imagination, des Lesens, Sammelns, Denkens und Schreibens entsteht.