Der Frankfurter Kunstverein präsentiert die erste große institutionelle Einzelausstellung der niederländischen Künstlerin Melanie Bonajo in Deutschland. Die Künstlerin ist unter den Nominierten des niederländischen Prix de Rome 2017, der am höchsten dotierte Preis für Visual Arts in den Niederlanden.
Eine kritische Haltung gegenüber dem kapitalistischen Wertesystem und dem modernen Fortschrittsglauben, die Überzeugung, dass der Dualismus zwischen Mensch und Natur aufgebrochen und ein radikales Umdenken stattfinden muss – all dies sind Ausgangspunkte für das künstlerische Schaffen von Melanie Bonajo. Die Künstlerin fragt danach, wie technologischer Fortschritt und auf Waren und Konsum ausgerichtete Lebensvorstellungen Gefühle von Entfremdung erzeugen und so zum Verlust eines Sinns von Zugehörigkeit führen.
Die künstlerische Praxis von Melanie Bonajo (*1978) ist geprägt von einem kritischen Blick auf den Zustand der Welt. Ihre Werke entstehen vor dem Hintergrund einer explizit kapitalismuskritischen Haltung und einem ambivalenten Verhältnis gegenüber der modernen Fortschrittseuphorie.
Sie ist eine Reisende auf der Suche nach Individuen und Gemeinschaften, die andere Wege des Mensch-Seins in der Welt beschreiten und ein ganzheitliches, holistisches Verständnis vom gesellschaftlichen Miteinander und dem Umgang mit Mitlebewesen verfolgen. Sie legt ihr Augenmerk insbesondere auf weibliche Protagonistinnen, die sie in ihren Videos zu Wort kommen und über ihre individuelle Weltanschauung sprechen lässt. Sie haben sich für teils illegale Lebenspraktiken außerhalb üblicher Gesellschaftsmodelle entschieden und suchen in neuen Ritualen ein verändertes Verhältnis zu Natur und Gemeinschaft, nach einem alternativen Umgang mit Körperlichkeit sowie gesellschaftlich definierten Geschlechterrollen. Die Frauen stehen für ein radikal ethisches Andersdenken und eine Haltung des Widerstands gegen den allgemeinen Lebensstil im Zeitalter einer globalisierten, digitalisierten und vernetzten Welt.
Die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein präsentiert mehrere neuere Werkkomplexe der Künstlerin. Im Mittelpunkt steht dabei die experimentelle, semifiktionale Dokumentarfilm-Trilogie „Night Soil“ (2014-16), bestehend aus den drei eigenständigen Filmen „Fake Paradise“ (2014), „Economy of Love“ (2015) und „Nocturnal Gardening“ (2016). In „Progress vs. Regress“ (2016) untersucht Melanie Bonajo die Auswirkungen moderner Erfindungen auf soziale Beziehungen. Als Ausgangspunkt wählt sie die Perspektive älterer Menschen, die Zeugen extremster industrieller, technologischer und digitaler Umwälzungen geworden sind. In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunstverein entsteht eine neue Arbeit für die Ausstellung, „Progress vs. Sunsets“ (2017, work in progress) die erste räumliche Umsetzung ihres komplexen Werkes „Matrix Botanica – Non Human Persons“.
Die Arbeiten von Melanie Bonajo sind eklektisch und anarchisch in der visuellen Bildsprache, politisch und aktivistisch in ihrer Haltung und gleichzeitig poetisch und humorvoll in ihrer Wahrhaftigkeit. Bonajos experimentelle, semifiktionale Dokumentarfilme basieren auf der Begegnung mit dem Gegenüber.
Die Künstlerin schafft die Möglichkeit zur Entfaltung und so sehen wir Menschen, die sich vor ihrer Kamera spielerisch inszenieren und ihre Geschichten und Gedanken offenbaren. Bonajo untersucht und ist gleichzeitig mitfühlend, sie lebt und erlebt mit den Menschen, die sie zeigt.
Die Körperlichkeit spielt in der Arbeit der Künstlerin eine zentrale Rolle, sowohl in Bezug auf die Protagonistinnen ihrer Filme, als auch im Hinblick auf die Rezipienten. Eine distanzierte Betrachterperspektive soll aufgebrochen werden. Gemeinsam mit Théo Demans und Clemence Seilles hat Bonajo speziell für den Frankfurter Kunstverein immersive Räume geschaffen: spielerische Bühnenwelten, artifizielle Landschaften, die zum Liegen, zum Entschleunigen einladen und gleichzeitig als Erweiterung der filmischen Bildwelten den Betrachter physisch einnehmen und in einen Rausch von Farbe, Licht und Material überführen.
Die Ausstellung wird kuratiert von Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins.