Mona Lisa - das weltberühmte Ölgemälde von Leonardo da Vinci inspirierte Künstler und Wissenschaftler seit jeher. Sie wurde zum Sinnbild weiblicher Schönheit und Medienikone.
Die bekannteste und damals auch provokanteste künstlerische Auseinandersetzung mit dem Bild ist jene von Marcel Duchamp: L.H.O.O.Q. (Elle a chaud au cul - Sie ist heiß am Hintern) von 1919. Der führende Bilderstürmer seiner Zeit hatte eine Kopie der Mona Lisa mit Schnurr- und Kinnbart versehen und setzte der idealisierenden Leonardoverehrung ein abruptes Ende.
In der Kunstgeschichte bahnte sich 2002 ein vergleichbarer Umbruch mit dem revolutionären Neuansatz von Magdalena Soest an. Das berühmteste Bild der abendländischen Kunstgeschichte schien sich damit Giorgio Vasaris Zuschreibungen endgültig zu entziehen. Auf die Frage: Wer war Mona Lisa? gab Soest die überraschende Antwort: Caterina Sforza. Die Renaissancefürstin ist eine der interessantesten Herrscherinnen ihrer Zeit. „Bild“-schön und grausam, kühn „wie ein Mann“, war sie eine Frau, die alles besaß und alles verlor. Das war das Thema für Leonardo, den Maler, der das Außergewöhnliche in seinen Arbeiten darzustellen suchte.
Caterina Sforza: Zeitgenossen sprechen von ihr als „La tigressa“. Machiavelli bewunderte sie als vorbildliche Fürstin, als „Illustrissima Madonna“, die ebenso schön wie grausam und klug ihr Schiff durch die Nepotenwirtschaft des Papstes Sixtus IV steuerte. Verheiratet mit dem brutalen und feigen Papstneffen Girolamo Riario wird die Herrin von Imola und Forli im Volksmund zur „Virago“, der kämpferischen Jungfrau, die schließlich sogar die Engelsburg in Rom besetzt. Nach der Ermordung ihres Gatten übt sie grausame Rache, indem sie ein ganzes Dorf auslöscht. Sie verteidigt ihr Kastell Rovaldino und meistert souverän Krise um Krise. Ihre Liebhaber sucht sie sich selbst aus.
Doch mit dem Erstarken der Borgia in Rom, die den Kirchenstaat um Caterinas Besitzungen arrondieren möchte, beginnt ihr Niedergang. Auf Seiten der Borgia steht schließlich ein riesiges um 14.000 Franzosen verstärktes Heer. Caterinas Heldenmut ist dagegen chancenlos. Eineinhalb Jahre schmachtet sie nun selbst in den Verliesen der Engelsburg, wird vergewaltigt und vermutlich mit der Syphillis angesteckt. Durch französische Intervention wird sie freigelassen und flieht verkleidet nach Florenz in ein Kloster. Dort trifft sie 1503 auf Leonardo, der ihr Inkognito zu wahren weiß, und sie in ihrer Witwenkleidung malt.
Wenn Magdalena Soest recht hat, dann ist der Raum nach langer Zeit wieder offen für neue Spekulationen: Das vielbeschworene geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa – mal als Ausdruck der „Erfüllung eines tausendjährigen Begehrens des Mannes“ (Walter Pater) mal als romantische Ikone des Weiblichen interpretiert (Théophile Gautier) - dürfte dann passé sein.
Wenn die Mona Lisa in Wirklichkeit eine Renaissancefürstin war, die mit Waffengewalt und Kühnheit gegen ihre Gegner antrat, dann könnte dieses Wissen bei Betrachtern und Künstlern ganz andere Assoziationen wecken. Das Lächeln der Mona Lisa erhielte dann eine neue Qualität.
Daher entstand 2011 die Idee, Künstlerinnen aufzufordern, sich vor diesem aktuellen Hintergrund mit dem berühmtesten Gemälde der Welt auseinanderzusetzen.
Was dabei herausgekommen ist: Die Künstlerinnen von heute fasziniert die Schönheit der Mona Lisa und die Malerei jener Zeit. Dies führt einige in die „Mona-Lisa-Falle“ – sie identifizieren sich mit ihr. Andere wiederum werden ihrerseits zu Forscherinnen der Zeit und ihrer Akteure; sie nehmen die neue Vorlage auf, verabschieden sich von den klassischen Vorstellungen weiblicher Schönheit und Sinnlichkeit und kontrastieren sie mit der politischen Realität von heute.