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Ancz É. Kokowski: Mythos Sylt - die Vorherrschaft der stummen Gegenstände

13.04.2011 - 26.05.2011
Kein anderer Urlaubsort Deutschlands verkörpert ausgesuchte Exklusivität und mondänes Müßiggehen so sehr wie die Insel Sylt. Glanz, Glamour und Glorie gehören als Attribute ebenso selbstverständlich zur Beschreibung dieser Insel wie Ruhe, Besinnung, naturnahes Erholen, lange Strandspaziergänge, Dünen, Kliffs und vergessener Alltag. Gleichzeitig steht jedoch all dies in drastischem Kontrast zu der fragilen und verwundbaren Topographie dieses Eilands. Wie viele Inseln, die in der Nordsee aneinandergereiht liegen, kämpft die Insel Sylt, besser der gestaltende Mensch auf ihr, mit den Gezeiten, den Stürmen und der tosenden See um Bestand und Erhalt. Diese nördlichste Insel wäre vielleicht schon längst eine große Sandbank vor der Nordseeküste Deutschlands, wenn der Mensch nicht mit schier unerschöpflichem finanziellen und technischen Aufwand versuchen würde sein Paradies zu bewahren. Ähnlich wie einst Sisyphos ist er dazu gezwungen, mit jedem Frühjahr mühsam den Sand, die Dünen, die Tetrapoden und die Befestigungen zu erneuern, die Herbst- und Winterstürme ihm geraubt haben. Mit dieser Themenspanne Sylts hat sich Ancz É. Kokowski in ihrer 2010 fertiggestellten Arbeit "Mythos Sylt - Die Vorherrschaft der stummen Gegenstände" künstlerisch auseinandergesetzt. Entstanden ist, in unterschiedliche Formate gefasst, eine 28 einzelne Tafelbilder umfassende Serie. Sie gilt als abschließender Teil einer Trilogie seriell konzipierter Werke. Bereits 2004 schuf sie, ausgehend von Hölderlins Textfragment "Tod des Empedokles" (1797-1800), den Zyklus "Heldensturz" (9 großformatige Tafelbilder), gefolgt von der Serie "Mortem Parturio" (2006, 13 großformatige Tafelbilder), in welcher sie sich intensiv mit Fritz Langs Film "Metropolis"(1927) und dem gleichnamigen Roman von Thea v. Harbou beschäftigte. Beide Arbeiten waren im Kunsthaus Tacheles in Berlin ausgestellt und trafen dort auf reges Interesse. Wesentlicher Bestandteil dieser Trilogie ist die Auseinandersetzung mit dem Individuum in Relation zu seiner Umwelt. Interessierte Ancz É. Kokowski zunächst speziell das Individuum in seinem direkten Bezug zu sich selbst und seiner Verortung in der Gemeinschaft, so beleuchtete sie danach das kollektivierte Individuum als Teil einer menschlichen Masse. Mit der letzten Arbeit dieser Trilogie tritt schließlich das Individuum soweit zurück, dass es, nur noch geahnt, kaum mehr zu finden ist. Konsequent verlegte sich Ancz É. Kokowski für diese Serie, im Gegensatz zu den größtenteils abstrakten Arbeiten der beiden vorangegangenen Serien, fast ausnahmslos auf das Gegenständliche. Strandhäuser, Dünen, das tosende Meer, ein Steg oder der Leuchtturm bilden die Motive. Dabei bedient sie sich wie selbstverständlich verschiedener Malstile und -techniken. So gehören Arbeiten zu dieser Serie, die im Duktus an die Tradition von Seestücken erinnern, während andere eher einem naiven Malstil zuzuzählen sein könnten, und wieder andere wirken geprägt vom Einfluss der niederländischen Landschaftsmalerei. Und doch bleibt immer ein Unbenennbares in ihren Bildern, etwas, das Ancz É. Kokowski ihren abstrakten Arbeiten entnommen hat. In ihrer Wucht und Präzision, was Farbauftrag, Komposition und Kontrast angeht, scheint das Abstrakte hier im Gegenständlichen versteckt. Wir sehen zu Recht keinen Menschen auf ihren Arbeiten abgebildet. Wir sehen Landschaften, wir sehen Bauten und Gebäude gleich Zeugnissen menschlicher Vergänglichkeit, und wir sehen das Meer, unberechenbar, nicht fassbar, nicht bezähmbar. - Man kann zu dem Schluss kommen, dass die Insel Sylt ein Konstrukt ist, ein von Menschenhand erdachter und sorgfältig behüteter 'locus amoenus', wunderschön und einen Steinwurf weit entfernt vom 'locus terribilis'. Ancz É. Kokowski malt auf Jute, spannt die Leinwände selbst auf und mischt sich ihre Farben aus Pigmenten und Ei-Emulsion eigenhändig an. Das Handwerk ist zu sehen, soll zu sehen sein und ist Teil des später sichtbaren Arbeitsprozesses. Im Dialog mit der selbst hergestellten Farbe bekommt das Thema, das Motiv für sie erst seine endgültige Form. Dadurch gelingt es ihr, ihre persönliche, individuelle Struktur zu prägen und sich abzusetzen von der rein behandelten Oberfläche. Und so verwundert es auch nicht, dass sie, gerade in der seriellen Auseinandersetzung mit einem Thema, auf konkrete Titel zu ihren Arbeiten verzichtet und statt dessen dem Betrachter in Dada-Manier lautmalerische, abstrakte Titel anbietet. *Pete Meyer, Kunstoffice Berlin 2011

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