02.06.2009 - 01.07.2009
Fleischbrühe in Friedensqualität, Kaffeeersatz und köstliche Bohne, üppige Torten aus dem „Süßmäulchen“, dargeboten vor pastellfarbener nierenförmiger Kulisse - Spielzeugkaufläden erzählen uns viel über Geschichte. Sie verbergen viele wirtschafts-, kultur- und gesellschaftsgeschichtliche Details und bilden die (Konsum-) Welt im Kleinen ab.
Die Ausstellung nimmt Spielzeugkaufläden der 50er und 60er Jahre in den Blick – der Zeit des „Wirtschaftswunders“.
Nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkrieges und des moralischen und wirtschaftlichen Ansehensverlustes wuchs mit dem beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung ab Mitte der 50er Jahre in Westdeutschland das Verlangen, Wohlstand zu genießen.
„Alle sollen besser leben“ war der Slogan einer großen Düsseldorfer Messe 1953. Auch in den Spielzeugkaufläden ließ man es sich gut gehen: Die Regale boten, was das Herz begehrte: vom alltäglichen Bedarf bis zu Luxusgütern: Bohnenkaffee,Schokolade, Waschpulver, Dr. Oetker Tortenguss,
Maggi-Suppenwürze und parfümierte Seife.
Namenlose Produkte sucht man hier vergeblich – die Regale der Spielzeugkaufläden dokumentieren auch den Siegeszug der Markenprodukte. Kein Wunder, denn die Hersteller der Markenprodukte waren (und sind) an den Herstellungskosten der Miniaturen zumeist beteiligt: Product-Placement im Kinderzimmer begann schon in den 50er Jahren.
Sogar Sektflaschen tauchten im Warenangebot der Spielzeugkaufläden auf: Konsumträume der Erwachsenen überwogen hier offensichtlich gegenüber pädagogischen Aspekten. Alles zu üppig? Kein Problem, auch hierfür hatte das Kaufladensortiment ein Angebot: Abführpillen.
Viele Spielzeug-Konsumträume des Westens stammten übrigens aus der DDR. Zur Devisenbeschaffung exportierte beispielsweise der Erzgebirgische Volkseigene Betrieb VERO Spielzeugkaufläden in den kapitalistischen Westen.
Aber nicht nur das Warenangebot und das Kaufverhalten hatten sich in den 50er und 60er Jahren nachhaltig verändert: war 1939 in Osnabrück Deutschlands erster Selbstbedienungsladen eröffnet worden, setzte sich diese Geschäftsform nach dem Krieg zunächst nur allmählich durch. Gab es 1951 in Westdeutschland erst 131 Selbstbedienungsläden, stieg ihre Zahl 1955 auf 512 an und explodierte bis 1960 auf 23.000. Die Spielzeugkaufläden spiegeln auch diese Entwicklung des Einzelhandels und des Kaufverhaltens wider. 1963 brachte die Crailsheimer Spielwarenfabrik Richard Dietrich KG einen Spielzeugsupermarkt auf den Markt.
Letztendlich blieben und bleiben die Spielzeugkaufläden aber nostalgisch. Zwar gibt es auch Scannerkassen mit Fließband, aber der Tante Emma-Laden mit Gemüsekiste, Bonkasse und Waage bestimmt deutlich die Kinderzimmer.
Die Kommunikation und Interaktion zwischen (Spiel-)Kaufmann und (Spiel-)Kunde können Selbstbedienungsdiscounter offensichtlich nicht ersetzten. So sucht man bisher auch vergebens einen virtuellen Internetspielzeugkaufladen.