Das Haus am Lützowplatz befasst sich in Form einer Ausstellung zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler mit Adolph Freiherr von Lützow, nach dem der Platz im Bezirksteil Tiergarten benannt wurde. Den Anlass bietet das Datum des 200. Jahrestages der Schlacht von Waterloo (18. Juni 1815) als Ende der Napoleonischen Kriege.
Die Ausstellung im Haus am Lützowplatz verfolgt keine rein geschichtliche Aufarbeitung des Themas. Im Bewusstsein der Stärke und auch aktuellen Brisanz des historischen Narrativs setzt sie auf die Autonomie der zeitgenössischen Werke im Hinblick auf einen dadurch geöffneten Resonanzraum zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es geht bei den Arbeiten, die zum Teil speziell für die Ausstellung geschaffen wurden, nicht um die Illustration von Geschichte, sondern um die Markierung von Brüchen und Verwerfungen beim Prozess des Erinnerns der Ereignisse vor zweihundert Jahren und deren Spuren im heutigen kollektiven Bewusstsein.
Ludwig Adolph Wilhelm Freiherr von Lützow (18. Mai 1782 – 6. Dezember 1834) wurde im Februar 1813 Befehlshaber einer Freiwilligeneinheit, die zusammen mit anderen sogenannten „Jäger-Detachements“ zur personellen Aufstockung des preußischen Heeres für den Krieg gegen Frankreich gebildet wurde. Ihre Mitglieder wurden nicht unter Zwang im Rahmen einer staatlich verordneten Mobilmachung eingezogen, sondern setzten im Verständnis eines patriotisch gestimmten Freiheitskampfes ihr Leben aufs Spiel. Das Lützowsche Freikorps bestand zu großen Teilen aus „nichtpreußischen Ausländern“. Sie kamen aus Ländern wie Mecklenburg, Sachsen, Thüringen, Bayern oder Tirol, die mit Napoleon verbündet oder von ihm besetzt waren. Ihre mitgebrachte Kleidung wurde einheitlich schwarz gefärbt, woraus sich insbesondere für die Kavallerie der Lützower der Beiname „Schwarze Jäger“ ableitete. Überliefert ist auch von französischer Seite die Bezeichnung „brigands noirs“, also schwarze Freischärler oder Banditen, da sie von ihren Gegnern mitunter nicht als reguläre Truppen angesehen wurden. Tatsächlich war das “Königlich Preußische Freikorps“ per Kabinettsordre als offizieller Heeresteil gegründet worden. Derartige kleine und bewegliche Verbände operierten im sogenannten Kleinen Krieg häufig hinter den Frontlinien, auch mit dem Ziel, einen Volksaufstand in den besetzten Gebieten zu entfesseln.
Das Lützowsche Freikorps war letztlich militärisch nicht sonderlich erfolgreich, erlangte jedoch im Zuge der National- und Freiheitsbewegung des Vormärz legendären Status. In ihm kämpfte ein besonders hoher Anteil von Künstlern und Intellektuellen. Neben Friedrich Ludwig Jahn und Karl Friedrich Friesen, den Begründern der paramilitärisch ausgerichteten Turnbewegung in Berlin, zählten dazu der Pädagoge Friedrich Fröbel, der Theologe Heinrich Herrmann Riemann, die Maler Philipp Veit, Friedrich Olivier und Georg Friedrich Kersting sowie die Dichter Joseph von Eichendorff und Theodor Körner.
Körner, der zeitweise Lützows persönlicher Adjutant war, verfasste eine Reihe von Gedichten und Liedern, die über die Befreiungskriege hinaus Verbreitung fanden. Dazu zählte auch das im Frühjahr 1813 verfasste Lied „Lützows wilde, verwegene Jagd“, das bald nach Körners Tod (26.8.1813) von Karl Maria von Weber vertont wurde und noch in der DDR Bestandteil des Großen Zapfenstreichs war. Überhaupt pflegte die DDR ein besonderes Verhältnis zu den Lützowern, in denen man proto-revolutionäre Freiheitskämpfer sah, nicht zuletzt auch durch die „Waffenbrüderschaft“ mit russischen Kosakeneinheiten im Herbstfeldzug 1813 als Vorbild für die eigene Beziehung zur Sowjetunion. Der Stoff wurde bislang zwei Mal verfilmt: 1926/27 in einer Produktion von Richard Oswald und 1972 von der DEFA mit Karlheinz Liefers als Lützow.
Bekannt wurden die Lützower auch durch die mit ihnen verbundene Geschichte der Rixdorferin Eleonore Prochaska, die sich der Einheit in Verkleidung des Schützen August Renz anschloss und im September 1813 bei einem Gefecht nahe Gadebusch tödlich verwundet wurde. In Folge ihrer unmittelbaren Glorifizierzung als “deutsche Jeanne d’Arc” meldete sich im Februar 1814 die Bremerin Anna Lühring unter dem Namen Eduard Kruse freiwillig zum Dienst bei den Lützowern. Ihre wahre Identität wurde auf später aufgedeckt, doch blieb sie bis zur Rückkehr des Freikorps nach Berlin dessen Mitglied.
Am Ende der Befreiungskriege, also nach dem Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht von Leipzig (19. 10.1813) und der Eroberung von Paris im Mai 1814, wurde das Freikorps aufgelöst. Die Berufssoldaten der Lützower wurden in ordentliche Regimenter der preußischen Armee integriert. Von Lützow befehligte während des letzten Koalitionskrieges gegen Napoleon eine Kavallerie-Brigade und wurde bei Ligny am 16. Juni 1815 schwer verletzt. Teile seines ursprünglichen Freikorps kämpften am übernächsten Tag in der Schlacht von Waterloo und erbeuteten Napoleons persönlichen Wagen mit Hut, Degen und sämtlichen Orden.
Mehrere Lützower engagierten sich nach 1815 in der Burschenschaftsbewegung und trugen ihre schwarzen Uniformen als Zeichen für Bestrebungen, die demokratischen Freiheitsideale der französischen Revolution mit Gedanken eines einheitlichen Nationalstaates zu verbinden. Die in Jena gegründete Urburschenschaft – vorher waren die Studentenverbindungen in Landsmannschaften getrennt – erhielt 1816 eine Fahne, deren Farben einen Bezug zur Uniform des Lützowschen Freikorps aufwies (schwarzer Rock, rote Aufschläge, goldene Knöpfe) und von der sich aus, gemäß einer unter Historikern nicht unumstrittenen Indizienkette, die dann erstmals 1848 bei der Frankfurter Nationalversammlung offiziell verwendeten Farben schwarz-rot-gold als Symbol eines einheitlichen, parlamentarischen Deutschlands ableiteten.
Der Lützowplatz wurde am 23. November 1869 nach dem Freiherrn von Lützow benannt, der in der Nähe seine letzten Lebensjahre verbracht hatte und zwar im Haus Tiergartenstraße 11, Ecke Bendlerstraße 43 (heutige Stauffenbergstraße). Topgraphisch verbunden ist der Lützowplatz mit dem sogenannten „Generalszug“: Tauentzienstraße, Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Bülowstraße, Yorckstraße, Gneisenaustraße. Er führt auf das von Schinkel entworfene Denkmal auf dem Kreuzberg, das 1818-21 in Erinnerung an die Befreiungskriege errichtet wurde (und nach dem der frühere Tempelhofer Berg umbenannt wurde). Die Benennungen einer ganzen Reihe von Straßen in damals neu entwickelten Stadtgebieten von Schöneberg, Tiergarten und Kreuzberg nach Schlachten und Militärführern der Befreiungskriege wurden anlässlich ihres fünfzigjährigen Gedenkens am 9. Juli 1864 beschlossen.