Senegal im Januar 2011: Zeitgleich zu den Umbrüchen in der arabischen Welt prangerte eine Gruppe von Aktivisten, Künstlern, Musikern und Journalisten mit dem Ruf ?Y en a marre! (Es reicht!) die Aushöhlung der Demokratie an. Es entstand eine beispiellose, mehr als ein Jahr andauernde Serie von Protestaktionen gegen die allgemein als illegal angesehene dritte Kandidatur des amtierenden Präsidenten des Landes, das seit den 1980er Jahren über eine demokratische Tradition verfügt.
Am Ende dieser Protestsaison, die mit der ersten Wahlrunde dreizehn Monate später im Februar 2012 endete, führte die senegalesische Ausstellungmacherin Koyo Kouoh zusammen mit ihren Mitstreitern der RAW Material Company die Bilder der Ereignisse zusammen. ?Chronik einer Revolte?, die fotografischen Dokumente, die im Haus der Kulturen der Welt vom 23. November bis zum 6. Dezember zu sehen sind, bilden den Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit dem ?senegalesischen Frühling? und seiner Verortung im Kontext globaler Umbruchbewegungen.
Mit Arbeiten von zahlreichen Fotografen und Fotojournalisten bietet ?Chronik einer Revolte? eine Dokumentation der Bilder und Formen eines friedlichen Aufstandes. Die Ausstellungsmacherin Koyo Kouoh, künstlerische Beraterin der Documenta 12 und 13 und Gründerin der RAW Material Company in Dakar, wirft mit der Schau auch Fragen auf nach der Verortung der Proteste aus panafrikanischer Sicht, den Formen politischer und gesellschaftlicher Dynamik im ?senegalesischen Frühling? und den Bildsprachen dieser Revolte.
In diesem Kontext stehen auch die die Ausstellung begleitenden Diskussionen und Diskurse mit Protagonisten, Intellektuellen und Künstlern. So stellt der kamerunische und in Südafrika lehrende Politologe und Historiker Achille Mbembe mit seinem Eröffnungsvortrag und anschließenden Gespräch mit Georg Diez (Spiegel) die Ereignisse im Senegal in den Kontext panafrikanischer Protestkultur und revolutionärer Ermächtigungen. Gesellschaftliche und politische Dynamiken der senegalesischen Revolte mit Blick auf globale gesellschaftliche und politische Umbruchbewegungen diskutieren der senegalesischen Schriftsteller Boubacar Boris Diop, der Politologe Gilbert Achcar, der senegalesische Journalist Fadel Barro und der Musikeraktivist Didier Awadi, moderiert von Dominic Johnson (die taz). Was und wie Revolten sich abbilden, welche Bildsprache sie verwenden und welche Bildarchive sie generieren, darüber diskutiert Kristian Kravagna im Gespräch mit der Kuratorin Koyo Kouoh, Erick Christian Ahounou (Fotojournalist, Senegal) und der libanesischen Filmkuratorin Rasha Salti.
In Ergänzung des Programms wird Rasha Salti den Film ?The Walls of Dakar? von Abdoul Aziz Cissé und Wagane Guéye vorstellen. Die Filmemacher feiern die stillen Helden des friedlichen Umschwungs und nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise durch Dakar, vorbei an den unzähligen bemalten Mauern, die wie ein Bilderbuch Geschichte und Entwicklung des Bürgerprotests erzählen. (Freitag, 23.11.2012, 19 h, Theatersaal)
Die zweitägige Eröffnung krönt am 23.11. ein Konzert von Didier Awadi, der zentralen Figur des senegalesischen Hip-Hop und gleichzeitig führendem Aktivisten des Protestes im Senegal. 1969 in Dakar geboren, trägt er als weltweit tourender Rapper und Produzent zur internationalen Bekanntheit des senegalesischen Hip-Hop-Stils ?Galsen? bei. Er gilt als einer der Pioniere der Hip Hop-Bewegung im Senegal und Westafrika. In seinem Album Présidents d´Afrique (2010) reflektiert er denPanafrikanismus, plädiert für mehr Menschlichkeit in der internationalen Politik und erinnert an die prägenden Persönlichkeiten der Unabhängigkeiten Afrikas. In Berlin stellt Didier AWADI ?Ma Révolution? vor, sein jüngstes Album, das soeben erschienen ist.