03.02.2012 - 15.04.2012
»Leiter is a rare artist, one whose vision is so encompassing, so refined, so in touch with a certain lyrical undertone, that his best photographs occasionally seem literally to transcend the medium.«
Jane Livingston
Das Haus der Photographie der Deichtorhallen würdigt den 88jährigen Fotografen und Maler Saul Leiter in einer weltweit ersten großen Retrospektive. Die Ausstellung umfasst mehr als 400 Arbeiten und vereint in einem großen Spannungsbogen frühe Schwarzweiß- und Farbaufnahmen, Modefotografien, übermalte Aktfotos, seine Malerei sowie die noch nie präsentierten Skizzenbücher. Das letzte Kapitel der Ausstellung widmet sich den neuen Fotoarbeiten von Saul Leiter, die er immer noch auf den Straßen seiner Nachbarschaft im New Yorker East Village aufnimmt.
Saul Leiter (*1923 in Pittsburgh) erfährt erst seit wenigen Jahren die verdiente Würdigung als einer der führenden Pioniere der Farbfotografie. Schon seit 1946, weit vor den Vertretern der »New Color Photography« der 1970er Jahre wie William Eggleston und Stephen Shore, benutzte er als einer der ersten die damals von Künstlern verachtete Farbfotografie für seine freien künstlerischen Aufnahmen. »Die älteren fotoästhetischen Ansichten zur Hegemonie von Schwarz-Weiß und der fotohistorischen Datierungen des künstlerischen Einsatzes von Farbfotografie, erst ab den 1970er Jahren, ist wohl einer kritischen Revision zu unterziehen. Mit Saul Leiters Werk ist die Fotogeschichte bereits faktisch umgeschrieben«, so Kurator Ingo Taubhorn.
Saul Leiter hat sich immer als Maler und Fotograf verstanden. Sowohl in seiner Malerei als auch in seinen Fotografien tendiert er deutlich zu Abstraktion und Flächigkeit. Oft findet man große, tiefschwarze, von Schatten hervorgerufene Flächen, die bis zu Dreiviertel seiner Fotografien einnehmen. Passanten werden nicht als Individuen in das Bild aufgenommen, sondern als verschwommene Farbimpulse, überlagert von Scheiben oder eingekeilt zwischen Hauswänden und Verkehrszeichen. Die Übergänge zwischen Abstraktion und Figurativem in seinen Malereien und Fotografien sind nahezu nahtlos. Saul Leiters Straßenfotografie - damit ist er beispiellos in diesem Genre - ist eigentlich Fotografie gewordene Malerei, wie Rolf Nobel im begleitenden Buch schreibt.
In seinen Aufnahmen fließen die Genres der Street- Life-, Porträt-, Still- Life-, Mode- und Architekturfotografie zusammen. Er findet seine Motive wie Schaufenster, Passanten, Autos, Schilder und immer wieder Regenschirme in der unmittelbaren Umgebung seiner New Yorker Wohnung, die er seit fast 60 Jahren bewohnt. Die Unschärfe im Detail, die Verwischung von Bewegung und die Minderung der Tiefenschärfe, den Ausgleich oder gewollten Entzug von notwendigem Licht und die Verfremdung durch Fensterdurchsichten und Spiegelungen - dies alles verschmilzt zur Farbsprache eines halb realen, halb abstrahierten urbanen Raums. Es sind Arbeiten eines fast noch unentdeckten modernen Meisters der Farbfotografie der 1940er und 1950er Jahre.
»Ich ging immer davon aus, ich versänke einfach so in Vergessenheit,« so Saul Leiter. Die Hamburger Ausstellung und die große Monografie des Kehrer Verlags wollen dies verhindern.
Die Ausstellung wird von Ingo Taubhorn (Haus der Photographie) und Brigitte Woischnik (München) kuratiert.
Saul Leiter entdeckte schon früh seine Leidenschaft für die Kunst und begann bereits als Teenager Ende der 1940er Jahre zu malen. Seine Familie unterstützte sein künstlerisches Interesse nicht, da der Vater, ein anerkannter Talmudischer Rabbiner und Gelehrter, stets seine Hoffnungen darauf gesetzt hatte, dass sein Sohn Saul ihm eines Tages in der Familientradition als Rabbiner nachfolgen würde. Er war zwar Autodidakt aber keinesfalls ungebildet. Er las und lernte viel über Kunst, so dass sein Wissen und Verstehen beständig wuchs. Er sorgte damit für die notwendigen historischen Zusammenhänge für sein eigenes Denken und künstlerisches Schaffen, so Carrie Springer, Kuratorin am Whitney Museum/New York, im Katalog.
1946, kurz nachdem er nach New York gezogen war, lernte Leiter Richard Poussette-Dart kennen, der ihn mit der Fotografie bekannt machte, einem Medium, das ihm sehr lag und das er schnell lernte. Leiter entschied bald, Fotografie nicht nur als Mittel der Kunst zu nutzen, sondern sich damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er begann, Mode zu fotografieren und wurde dank seines guten Auges, seines spielerischen Sinns für Humor und seines ausgeprägten Sinns für Eleganz zu einem außergewöhnlichen Modefotografen.
In den 1950er Jahren werden erste Schwarz-Weiss Serien Saul Leiters im Life-Magazin veröffentlicht. Er nimmt u.a. an der von Edward Steichen kuratierten Ausstellung "Always the young strangers" (1953) im Museum of Modern Art teil. Von 1958 bis 1967 arbeitete Leiter für HarperÂ’s Bazaar. Insgesamt sollte rund zwanzig Jahre für verschiedene klassische und neuere Magazine fotografieren, nach Esquire und HarperÂ’s: Show, Elle, British Vogue, Queen und Nova.
Saul Leiter ist 1923 in Pittsburgh geboren und lebt seit 1946 in New York. Die New Yorker Künstlerin Soames Bantry war bis zu ihrem Tod 2002 über 40 Jahre seine Lebensgefährtin. In der Vorbereitung der Hamburger Ausstellung bemerkte Saul Leiter einmal, er wünsche Soames Bantry die gleiche Aufmerksamkeit der Kunstwelt wie er sie jetzt erfahre. Daraus entstand die Idee einer Hommage an Soames Bantry, einer Ausstellung in der Ausstellung, die Saul Leiter mit über 20 Gemälden im Haus der Photographie selbst kuratiert: For Soames with Love Saul.