Der Scheren- bzw. Papierschnitt hat als elementare Gestaltungsmöglichkeit eine lange Tradition, die sich von den Anfängen in China, Indonesien und Persien bis zu seiner Verbreitung in Europa im 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Ihre Wurzeln hat die Schneidekunst vor allem im volkstümlichen Brauchtum. Als Liebhaberkunst war sie eine vornehmlich dem Kunsthandwerk zugehörige Fertigkeit, die sich aufgrund einfacher Motive sowie beachtlicher handwerklicher Virtuosität großer Beliebtheit erfreute.
In der Klassischen Moderne etablierte Henri Matisse (1869-1954) den Papierschnitt als eigene Kunstform – „Mit der Schere zeichnen“ nannte er den schöpferischen Prozess für seine Arbeiten. Heute ist der Papierschnitt längst eigenständiges Medium innerhalb der zeitgenössischen Kunst. Unabhängig von seinen traditionsreichen Vorbildern hat er eine Entwicklung genommen, die sich durch künstlerische Freiheit auszeichnet, durch eigenwillige Formfindung und erstaunliche Vielfalt.
Siebzehn internationale Künstlerinnen und Künstler zeigen, dass die Autonomie künstlerischer Gestaltungsprozesse die Grundlage ihrer inspirierenden Arbeiten ist und nicht der klassische Scherenschnitt. So lassen sich z.B. deutliche Einflüsse aus anderen künstlerischen Disziplinen wie Bildhauerei, Malerei oder Grafik erkennen sowie ein Interesse an Architektur oder Zeichnung und Lineament. Darüber hinaus hat sich die Präsentationsform der Papierschnitte vollkommen verändert: vom kleinen Format bis hin zu überraschend großen, raumgreifenden Arbeiten, zu außergewöhnlichen Objekten und filigranen Installationen.