19.12.2007 - 26.04.2008
Das Köpfchen stammt von einer kleinen Königsfigur: Trotz des fragmentarischen Erhaltungszustands ist das Königskopftuch zu erkennen. Die stilistischen Merkmale des flächigen Gesichtes, vor allem die breite Nase mit den tiefen Nasiolabalfalten, erlauben eine Datierung in die Spätzeit, in die 25. Dynastie (750-656 v. Chr.). Dazu passt ein weiteres Detail: Über der Stirn sind die Fragmente zweier Uräusschlangen zu erkennen. Die Könige dieser Epoche trugen nicht wie die ägyptischen Pharaonen eine Schlange als Symbol ihrer Macht, sondern den Doppeluräus als Hinweis auf ihr Herrschaftsgebiet: Sie regierten über zwei Länder, über Ägypten und das Reich von Kusch mit der Hauptstadt Napata am Gebel Barkal, dem Heiligen Berg in der Region des vierten Nilkataraktes im heutigen Sudan.
Für Ägypten bedeutete diese 25. Dynastie eine Epoche der Fremdherrschaft – es war das einzige Mal in der über 5000jährigen Geschichte des antiken Sudan, dass der nördliche, sonst so übermächtige Nachbar vom Süden beherrscht wurde. Die Ägypter blickten verächtlich auf die „Elenden von Kusch“ herab, eine illiterate Kultur ohne eigene Schrift erschien ihnen minderwertig – nun mussten sie sich in einer Zeit der Teilung ihres Landes – im Delta herrschten in der Hauptstadt Tanis Könige libyscher Abstammung, in Theben hatten die Hohepriester von Karnak den „Gottesstaat des Amun“ errichtet – bezwingen lassen.
Die Fremdherrschaft der Kuschiten blieb nicht ohne Folgen: Die fremden Herrscher sahen sich in der Nachfolge der Pharaonen und entwickelten eine rege Bautätigkeit in den Tempeln. Vor allem jedoch brachten sie neue Impulse für die ägyptische Kunst, die in der Dritten Zwischenzeit schematisch geworden war, sich auf rein idealisierende Bildnisse beschränkte. Nun kehren Dynamik und Porträthaftigkeit zurück, man interessiert sich für die Kunst der Vergangenheit, studiert und kopiert alte Reliefs und Statuen in Gräbern und Tempeln – und schöpft doch trotz aller archaisierenden Tendenzen etwas unverwechselbar Neues. Erstmals seit mehr als einem jahrtausend spielt auch das Altersporträt wieder eine wichtige Rolle, man orientiert sich an den Vorbildern des Mittleren Reiches (um 1800 v. Chr.).
Umgekehrt lassen sich die Kuschiten jedoch auch von den ägyptischen Monumenten beeindrucken: So lassen sich die „schwarzen Pharaonen“ in ihrem Heimatland künftig in Pyramiden bestatten, deren Grabkammern und Opferkapellen mit Bildern und Texten des ägyptischen Totenbuches dekoriert werden können. Zu den Grabbeigaben zählen nun auch Uschebtis, jene kleinen Figuren, die als Stellvertreter und Diener des Verstorbenen an seiner Stelle im Jenseits Arbeitsleistungen erbringen sollen. Von einem solchen Uschebti stammt dieser kleine Königskopf, der aus stilistischen Gründen wohl Taharqa, dem bedeutendsten Herrscher dieser 25. Dynastie, zuzuordnen ist.