09.01.2009 - 18.01.2009
Die aktuelle Ausstellung präsentiert Arbeiten aus zwei Privatsammlungen, deren Gemälde die Entwicklung der dänischen Malerei vom Höhepunkt der Kopenhagener Schule bis zum Ende der Künstlerkolonie Skagen lebendig werden lassen. Neben Gemälden aus dem Goldenen Zeitalter in Dänemark, also aus der Zeit von 1830 bis 1870, sind Gemälde aus der Skagener Künstlerkolonie aus der Zeit von 1870 bis 1910 zu sehen. Besucher begegnen in der sehenswerten Schau Malern wie Peter Christian Skovgaard, Louis Gurlitt, Erik Hennigsen und Carl Frederik Sørensen, die vornehmlich Landschaften aus Dänemark in Öl geschaffen haben. Außerdem sind die so genannten Skagen-Maler wie Michael Ancher, Voggo Johansen, Peder Severin Krøyer oder Laurits E. Tuxen in der dicht gehängten Ausstellung zu sehen. Sie fingen das berühmte Skagener Licht im Wandel der Tages- und Jahreszeiten ein und konzentrierten sich in ihrer Motivwahl vornehmlich auf das Treiben der Fischer von Skagen.
Dass die aktuelle Präsentation im Jenisch-Haus den richtigen Ort gefunden hat, wird der Besucher beim Rundgang durch die intimen Räume des Obergeschosses unschwer bemerken. Senator Johann Martin Jenisch war selbst Kunstsammler und erwarb bei Reisen durch Europa eine beachtliche Gemäldesammlung. Auch insoweit ist das Jenisch-Haus mit seiner eigenen Gemäldesammlung ein geeigneter Ort, Gemälde von dänischen Künstlern zu zeigen.
Statt einer strengen Chronologie folgt die Ausstellung einer thematischen Dramaturgie in himmelblau, rot und sonnenblumengelb ausgeschlagenen „Kabinetten“. Blau steht für die dänische Landschaftsmalerei, die als Motive auch die Fjorde Norwegens und die Insel Jersey wählte. Rot bezeichnet die Reisen dänischer Künstler nach (Ober)Italien. Dabei folgten viele Künstler dem Bildhauer Bertel Thorvaldsen – dessen Büste begrüßt den Besucher am Eingang des Themensegments „Italienische Reise“. Schließlich spiegelt sich das Skagener Licht in den sonnengelb ausgekleideten Räumen des Jenisch-Hauses. Die Farbwahl hat der Ausstellung gut getan: Die goldgerahmten Gemälde – weitgehend unter Tageslichteinfluss mit geringen Zugaben von Kunstlicht ausgestellt – erhalten vor dem farbigen Hintergrund erst ihre volle Brillanz!
Wer in die oberste Etage des Jenisch-Hauses kommt, wird von drei Arbeiten empfangen, die gleichsam Leitmotive f ür die dänische Malerei sind. Oskar Herscheid präsentiert uns seinen Abend an der Nordsee mit einer begrünten Dünenlandschaft, einem stark bewölkten Himmel, durch den breite Sonnenstrahlen dringen, und einer Windmühle in der Ferne, deren Flügel in Ruhestellung stehen. Der akademische Naturalismus scheint bei Herscheid von der Umsetzung feiner Lichtregie und jahreszeitlicher und tageszeitlicher Stimmungen in den Hintergrund gedrängt worden zu sein. Die Pole Kopenhagen und Skagen spiegeln sich in der „Romantischen Landschaft“ von Georg Heinrich Croll – beim Betrachten wird man an niederländische Landschaftsgemälde des 17. Jahrhundert erinnert, wären da nicht die Steinsetzungen und das Steingrab – und Michael Peter Anchers „In Brøndums Schenkstube“, eine Arbeit sehr nahe einem sozialen Realismus wie ihn beispielsweise Constantin Meunier pflegte, auch wenn der eine die Fischer und der andere die Bergleute des Henngaus zum Gegenstand seiner Arbeiten gemacht hat
Was sich in den Arbeiten der im Jenisch-Haus präsenten Künstler widerspiegelt, ist der Versuch, sich aus den akademischen Zwängen zu befreien und die dänische Provinz und deren Menschen in den Mittelpunkt der Kunst zu rücken. Sich der eigenen „Heiligtümer“ bewusst zu werden, war Ausdruck einer Identitätssuche nach der Niederlage von 1864 und dem Verlust von einem Drittel des Staatsgebiets. Das einfache Volk wird wie in Thorvald NissÂ’ „Kornernte“ zum Bildgegenstand. Man zeigt Bauern bei der mühseligen Ernte oder entdeckt wie Janus la Cour die Lieblichkeit der sanft hügeligen Landschaft bei Silkeborg. Inspiriert von der niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts komponiert Peter Christian Skovgaard seine Landschaften. Bauerngarten und Bauernhof sind gängige Bildmotive, so auch bei Jørgen Sonne. Stimmungsvoll sind die Landschaften und Landschaftsdetails wie der menschenleere winterliche Buchenwald von Jens Thomsen Jensen. Von Jensen stammt außerdem „Sommertag“, ein Landschaftsporträt mit saftigen Wiesen links und rechts eines Wasserlaufs. Die Jahreszeiten finden wir in Hans Schmidts „Dänischer Sommerlandschaft“ – weit reicht der Blick über die Dünenlandschaft, in der zwei Schafe umherwandern, während aufquellende Wölkchen den Himmel bedecken. Auch Skovgaard schuf eine Sommerlandschaft mit Gewitterstimmung. Neben den Jahreszeiten sind es die tageszeitlichen Lichtschwankungen und Stimmungen, die wir in den gezeigten Arbeiten wahrnehmen können, so in Carl Neumanns „Abendstimmung am Fjord“: Am Ufer sind die Reusen aufgehängt, steht der Fischer an Land und sieht dem nächsten nächtlichen Fang entgegen. Dabei wirkt die in zartes Altrosa getauchte Szenerie durchaus ein wenig kitschig. Dass nicht nur dänische Landschaften geschaffen wurden, belegt Wilhelm Melchior mit seinen „Almkühen an der Tränke“. Neben den beiden Rotbunten haben sich zwei Ziegen an der Tränke zur Ruhe gelegt. Wolkenschwaden streifen derweil über die Gebirgsflanken.
Eine norwegische Fjordlandschaft mit den von Gletschern überzogenen Gipfeln hat Carl Frederik Sørensen hinterlassen: Auf den Wellen des Fjords bemühen sich zwei Ruderboote und ein Segler darum, Fahrt aufzunehmen. Selbst die entlegenen Lofoten finden wir im Reigen der ausgestellten Landschaften ebenso wie einen Sonnenuntergang auf Jersey, der ebenfalls von Carl Frederik Sørensen stammt. In einem kleinformatigen Gemälde wurde vom gleichen Künstler die Kreidekünste von Dover im Schein der Sonne gemalt. Betrachtet man die Arbeiten zum Thema „Sehnsucht nach der Ferne“, so scheint es, als sei das dänische Licht auf die norditalienische Landschaft projiziert worden, ob nun in Carl SeibelsÂ’ „Fischer beim Netzeflicken“ oder in Peter Kornbecks „Assisi“ oder gar Louis Gurlitts „Römische Campagna“, zu der auch eine Ruinenkulisse gehört.
Eine ganz eigenwillige „Lichtregie“ überzieht Carl Ferdinand Bartschs „Später Aufbruch“, sind doch nur der Sockel des Hausgiebels, der obere Teil des Karrens und der Schulter- und Kopfbereich des Schimmels in grelles Licht getaucht. Wie mit dem Lineal gezogen, erscheinen „Hell- und Dunkelpartien“ des Gemäldes. Das Landleben in der dänischen Provinz, ein wesentliches Thema der dänischen Malerei des 19. Jahrhunderts, schlägt sich unter anderem in Momentaufnahmen aus Bauernstuben nieder, so auch in Anders C. Terløses „Der einsame Mann“.
Zum Abschluss streifen wir durch die Landschaften der Skagenmaler wie Oskar Herscheid, der uns an den Skagener Südstrand entführt. Wir entdecken aufgelandete Boote am Strand und Häuser, die sich hinter den flachen Dünen ducken. In Eisblau getaucht ist Michael Peter Anckers Skagen Ansicht, von dem außerdem Sonnenuntergang auf Skagen zu sehen ist: Der grellgelbe, orange gefärbte Himmel wird durch ein bläuliches Wolkenband durchzogen. Hoch reckt sich der Kirchturm in den Abendhimmel. Mit flottem Farbstrich entstand Peter Severin Krøyers „Sonnenuntergang über Skagen“. Doch während die Skagenmaler noch dem Impressionismus nachhingen, hatte sich mit den Brückemalern in Dresden längst eine neue Zeit mit gefühlten Farben angekündigt.
Während ein Teil der ausgestellten Gemälde nach dem Abschluss der stimmungsvollen Schau in das neu errichtete Museum der Westküste auf Föhr wandern wird, verbleibt die Sammlung Lührs als Dauerleihgabe im Altonaer Museum und wird hin und wieder in Ausschnitten oder mit einzelnen Werken zu sehen sein.