Das Jüdische Museum Berlin widmet Boris Lurie und seiner radikalen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem 20. Jahrhundert eine große Retrospektive. Lurie ist ein Künstler, der von der Kunst und dem Kunsthandel politische Relevanz einforderte. Mit seinen viel diskutierten und umstrittenen Arbeiten klagt er eine Gesellschaft an, die der Auseinandersetzung mit Menschheitsverbrechen aus dem Weg zu gehen schien, indem sie ihre Zeugnisse zwischen Werbung und Alltagsbanalitäten verpackte.
Luries Collagen konfrontieren den Betrachter mit dieser fragwürdigen Rezeption der Schoa und provozieren »Entsetzen und Faszination« (Volkhard Knigge). Denn Lurie verbindet den Ekel gegen eine Menschheit, die zu millionenfacher Vertreibung und Massenmord fähig war, mit dem Abscheu vor einem selbstgefälligen Kunstbetrieb, der mehr am finanziellen Gewinn als an der künstlerischen Aussage interessiert ist.
Seine Zeichnungen schlagen hingegen einen anderen Ton an. Mit ihnen schuf der Künstler in der »War Series« von 1946 eine erste Bestandsaufnahme seiner eigenen Erfahrung von Verfolgung und Lagerhaft während der NS-Herrschaft. Mit seiner »Dance Hall Series« aus den 1950er- und 60er-Jahren wiederum entwarf er poetische Bilder seiner Zeit.
Boris Lurie, der 1924 als Sohn einer jüdischen Familie in Leningrad geboren wurde und in Riga aufwuchs, überlebte gemeinsam mit seinem Vater mehrere Ghettos und Konzentrationslager, unter anderem Stutthof und Buchenwald. Seine Mutter, Großmutter, jüngere Schwester und seine Jugendliebe wurden 1941 bei einer Massenerschießung ermordet. Diese Erfahrungen haben Boris Luries Leben nachhaltig geprägt.
1946 wanderte er mit seinem Vater nach New York aus. Mit einer Gruppe befreundeter Künstler gründete er 1959 die »NO!art«-Bewegung, die sich dem Abstrakten Expressionismus und der Pop-Art, vor allem aber der Ökonomisierung der Kunst entgegenstellte und sich politischen Themen wie etwa Rassismus, Sexismus und Konsumkultur widmete. Boris Lurie starb am 7. Januar 2008 in New York.