21.02.2010 - 02.05.2010
Rosemarie Koczy: Ich webe euch ein Leichentuch
Rosemarie Koczy (1939–2007), eine in Recklinghausen geborene Tochter aus jüdischer Familie, wurde ab 1942 – also mit drei Jahren – in mehrere Konzentrationslager deportiert. Nach dem Krieg lebte sie sechs Jahre in einem Displaced-Persons-Camp. Sie studierte Anfang der sechziger Jahre an der Genfer École des Arts Décoratifs. Seit Mitte der siebziger Jahre widmete sie sich zunehmend der Aufarbeitung ihrer eigenen Erlebnisse.
Unter dem Titel »Ich webe euch ein Leichentuch« schuf Koczy neben vielen Gemälden über 12.000 Federzeichnungen. Vehement forderte sie, dass den oftmals vergessenen und unbeerdigten NS-Opfern eine Erinnerung geschaffen werden müsse. Bei jeder Ausstellung ihrer Werke solle der Kommentar stehen: »The drawings I make every day are titled ›I Weave You a Shroud‹. They are burials I offer to those I saw die in the camps.«
Zentrales Motiv ist der ausgemergelte und gequälte Mensch. Neben der körperlichen Versehrtheit, die sich in der leiblichen Deformation niederschlägt, werden psychische Zerrüttung und Einsamkeit der Opfer der rassistischen Verfolgung in Deutschland dargestellt. Mit beklemmenden Figurendarstellungen in engen Räumen versucht sie, den Ermordeten der Konzentrationslager ein Gedächtnis zu schaffen. Uns blicken Menschen mit unnatürlich langen und dünnen Gliedmaßen in verstörender Weise an. Ob als Federstrichlage oder sich wild überkreuzende Acrylfarbstreifen – überall verweist die Textur des Gewobenen auf das Leichentuch und den Gebetsschal der jüdischen Religion (Tallit), mit dem Tote in Würde beerdigt werden.
Nachdem Koczy 2007 gestorben war, stiftete ihr Mann, der bei New York lebende Komponist Louis Pelosi, dem Jüdischen Museum Rendsburg acht große Acrylgemälde, 37 Federzeichnungen und ein großes Holzrelief. In der Ausstellung sind außerdem viele weitere Zeichnungen und zwölf Leinwände aus dem Museum im Lagerhaus in St. Gallen zu sehen.