25.06.2011 - 30.06.2012
Die 44 Werke von insgesamt 35 KünstlerInnen umfassende Ausstellung dokumentiert bisher noch nie gezeigte Arbeiten, Neuerwerbungen der letzten Jahre sowie ortsspezifische, räumliche Interventionen. Für jede Arbeit wurde eine sorgfältig durchdachte Präsentationsarchitektur initiiert.
Statt einer thematischen Zusammenstellung verfolgt die Konzeption der Ausstellung verschiedene inhaltliche Stränge und spiegelt aktuelle Themen der zeitgenössischen Kunstproduktion wider.
Der Titel CITIES OF GOLD AND MIRRORS rekurriert nicht nur auf den in der Ausstellung gezeigten Film von Cyprien Gaillard, sondern steht metaphorisch für die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen in Hinblick auf Stadtentwicklung und Urbanismus und der Beziehung des Menschen zur Architektur und zu seinen persönlichen Sehnsüchten und Eitelkeiten.
Im ersten Ausstellungsgeschoss stehen Positionen wie die von Gordon Matta-Clark, Tobias Zielony, Cyprien Gaillard und Francis Alÿs für die Maßstäblichkeit oder das Verhältnis von Architektur und Mensch.
Mit seinen räumlichen, skulpturalen Eingriffen oder "Building Cuts" konterkarierte Matta-Clark bereits in den 1970er Jahren die traditionelle Raumwahrnehmung und wirft zugleich eine Kritik an Stadtplanung und den Bedingungen von öffentlichem Leben und privatem Raum auf. Seine Filme sind nicht nur Dokumente seiner teils anarchistischen Aktionen, sondern die einzigen Überbleibsel dieser prozesshaften Interventionen und karthographieren die Stadt als urbanen Raum in all seinen Facetten.
Tobias Zielony dokumentiert in seiner aus 7000 Einzelbildern montierten Fotoanimation die von Francesco di Salvo entworfene Wohnmaschine LE VELE DI SCAMPIA (2009) in einem Vorort von Neapel. Der in den 1960er Jahren gebaute Komplex hat als Keimzelle der Mafia traurige Berühmtheit erlangt. Zielonys Animation zeigt die mittlerweile abgenutzte, teils verfallene Architektur und ihre Bewohner und zeichnet den Niedergang und die gleichzeitig mystische Kraft dieses Ortes nach.
Im titelgebenden 16-mm-Film CITIES OF GOLD AND MIRRORS (2009) verbindet Cyprien Gaillard fiktive Elemente der japanisch-französischen Fernsehserie "The Mysterious Cities of Gold" mit Szenen des Pauschaltourismus. Er kontrastiert in seinem Film die in den 1970er Jahren entstandene Hotelanlage im mexikanischen Cancún mit den Ruinen einer ehemals mächtigen Maya-Hochkultur. Nicht in der Rolle eines Archäologen, sondern eines Dokumentaristen zeigt Gaillard amerikanische Studenten, die vor der eindrucksvollen Fassade der an Pyramidenbauten erinnernden Hotelanlage ihren "Spring Break" mit exzessivem Kampftrinken zelebrieren und konfrontiert den Betrachter mit der Banalisierung von Kultur.
REHEARSAL I (ENSAYO I) (1999-2001) lautet der Titel der zentralen Arbeit des belgischen Künstlers Francis Alÿs. Wie der "moderne Sysiphos" versucht ein roter VW Käfer - im Rhythmus einer mexikanischen "Mariachi"-Blaskapelle - einen Hügel hinaufzufahren. Kurz bevor er die Spitze erreicht, hört die Kapelle auf zu spielen und der Wagen rollt wieder hinunter. In der nächsten Sequenz geht das Ganze von vorne los. Das Video ist eine existentielle Metapher für die politische Situation in Mexiko und die wirtschaftliche Diskrepanz, die Mexiko und die USA voneinander trennen.
Im zweiten Ausstellungsgeschoß wird die klare filmische Ausrichtung aufgebrochen. Positionen wie die von Andreas Gursky, Mark Manders, Andro Wekua oder David Claerbout stehen exemplarisch für die Komplexität der Ausdrucksformen.
Die großformatige Fotografie UNTITLED XII, NO. 4 (2000) von Andreas Gursky zeigt eine Buchseite aus dem Jahrhundertroman "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil. Seite 769 so steht es am unteren Rand, dennoch ist es keine getreue Abbildung dieser Seite. Gursky hat Passagen im Text digital verändert und Wörter durch andere ersetzt. Diese sind aber visuell nicht als veränderte Stellen erkennbar. Das Textfragment beschreibt die Maßstäblichkeit von Geist, Mensch und Natur, seine Position innerhalb des Kosmos. Die Seite ist abfotografiert und überdimensioniert und bricht so mit tradierten Wahrnehmungsgewohnheiten.
Mark Manders Skulptur LARGE FIGURE WITH THIN NEWSPAPER (2010) ist Teil seines seit 1986 kontinuierlich fortgesetzten künstlerischen Entwurfs eines "Self portrait as a building." Das bisher noch nicht abgeschlossene Projekt ist Ausdruck von Manders Archiv an Erfahrungen, Gedanken und Bezügen seiner eigenen Realität. Die aus dieser Auseinandersetzung mit sich selbst entstandenen Installationen oder Skulpturen können viele Erscheinungsformen annehmen und Objekte seiner Alltagswelt oder ganze Raumkonstellationen mit einschließen. Seine Werke sind hermetische, selbstreferentielle, humoristische oder zutiefst poetische Abbilder einer abstrahierten Biografie. Sie bestehen aus mehreren Bausteinen und sind geprägt von einer tiefen Emotionalität und Melancholie.
Ähnlich wie Manders inszeniert und visualisiert Andro Wekua in seinem Video NEVER SLEEP WITH A STRAWBERRY IN YOUR MOUTH (2010) seine imaginäre Biografie. In einer alptraumhaften Kulisse begibt sich sein Alter Ego in der Gestalt eines maskierten Jungen zurück auf die Spuren seiner Kindheit. Seine Bildsprache ist eine Mischung aus Science-Fiction und Horror und kein stimmiges Abbild seiner Erinnerung, sondern ein Konstrukt aus erinnerter und realhistorischer Vergangenheit. Im Titel schwingt eine Warnung mit, die nur durch eine angedeutete Assoziation eine verführerische Kraft entwickelt. Das Video folgt keiner Narration, sondern erinnert in seinen absurden Bildern und der Farbgebung an Traumsequenzen. Wekuas Arbeiten fußen auf theatralischen Kompositionsprinzipien: Podeste und räumliche Eingriffe sind wesentliche Merkmale, die die auratische Kraft seiner Installationen noch verstärken.
David Claerbouts Arbeiten orientieren sich an den Darstellungsmodi des Kinofilms. In seiner 2-Kanal-Installation AMERICAN CAR (2002-2004) konfrontiert er den Betrachter mit zwei Projektionen, die nicht zeitgleich zu sehen sind. Die erste Projektion der Installation zeigt das Innere eines Autos. Zwei Männer in Rückenansicht schauen aus dem Fenster, Regen fällt auf die Windschutzscheibe. Die zweite Projektion zeigt das Auto von außen, wie es völlig frei in einer nicht weiter bestimmten Landschaft steht. Der Betrachter betritt die Räume nacheinander, so dass die Zeit, die zwischen der Betrachtung der beiden Kanäle vergeht und die im Film dargestellte Zeit erfahrbar wird. Er kann so aus der traditionellen Kinoperspektive in den Raum und die Rolle der Akteure treten. Die Illusion des filmischen Raums verschmilzt mit dem Realraum, subtil unterstützt durch zwei Audiokanäle, die den Betrachter in seiner Position verunsichern. David Claerbout befragt das bewegte Bild des Mediums Film stets vor dem Hintergrund der Fotografie und im Rahmen der Möglichkeiten seiner technischen Bearbeitung. Screen 2 ist nicht gefilmt, sondern eine Montage digitaler Fotografien.
Im Vordergrund der Ausstellung stehen, der Fokussierung der Sammlung gemäß, filmische Arbeiten, gleichwohl sprengen Werke wie die bereits beschriebenen Positionen von Mark Manders oder Andro Wekua, sowie Simon Denny, Jon Kessler, Zilvinas Kempinas oder Wolfgang Tillmans die klare mediale Einschränkung und machen einmal mehr die Virulenz der komplexen Themen deutlich.