Das vielfältige, gattungsübergreifende Schaffen von Heimo Zobernig (*1958 in Mauthen, Österreich) zeugt von seinem nüchternen, kritischen wie auch experimentierfreudigen und humorvollen Ansatz. Die Produktion des in Wien lebenden Künstlers umfasst unterschiedliche Felder wie Malerei, Skulptur, Design oder Video und Performance. Die Ausstellung in der kestnergesellschaft rückt Schlüsselwerke seines skulpturalen Schaffens seit den Anfängen in den 1980er Jahren in den Fokus und präsentiert neueste abstrakte Bilder.
Tische, Sockel, Regale, eine Bank, ein Tresen, Variationen einer Bar – viele von Zobernigs Skulpturen haben ihren Ursprung im angewandten Bereich. Oft sind sie aus billigen Materialien gefertigt, darunter Pressspan, MDF, Dispersionsfarbe, Karton oder Styropor. Die einfache, geometrische Formensprache und standardisierten Elemente tragen zu dem meist nüchternen, pragmatischen Eindruck von Zobernigs Arbeiten bei. Seine Skulpturen, die nun in chronologischer Reihung präsentiert werden, verweisen häufig auf frühere Präsentationskontexte, interne Werkzusammenhänge oder auch das Präsentieren selbst. So zeugt etwa das Werk »ohne Titel« (1997) von seinem früheren Gebrauch als Infotresen auf der documenta X in Kassel.
Davon losgelöst eröffnen Zobernigs Werke in ihrer unaufdringlichen, skulpturalen Form immer neue Möglichkeiten ästhetischer Betrachtung und Deutung, sei es als kunsthistorischer Kommentar, als selbstgenügsames Objekt oder in ihrem Verhältnis zum menschlichen Körper. Indem Zobernigs Arbeiten den Grenzbereich von Gebrauchsgegenstand und autonomen Werk ausloten, stellen sie stets auch die Frage, wie sie Kunst sein können und als Kunst erfahren werden.
Parallel zu seinen Skulpturen untersucht Zobernig in seinen meist quadratischen Gemälden die Potentiale von Grundfiguren abstrakter Malerei: dem Monochromen, dem Raster und der Geste. Während das Raster als rationales Schema immer schon im Zentrum von Zobernigs Interesse stand, taucht erst seit kurzem ein gestisches Vokabular in seinen Bildern auf. Er kombiniert Raster mit komplexen Anordnungen aus freien Linien, amorphen Strukturen und scheinbar unkontrollierten Farbverwischungen.
Was auf den ersten Blick als Zeugnis spontaner Handlungen erscheint, entsteht in einem kontrollierten Prozess, bei dem die Komposition bereits am Anfang feststeht. Kontrastierende Farbschichten und unterschiedliche Produktionsphasen werden darin verschränkt und das Verhältnis von Figur und Grund, Oben und Unten sowie Raum und Fläche destabilisiert. Wie auch die Skulpturen werden die Bilder zu Elementen eines offenen, enzyklopädischen »System Zobernig«, das Gattungsgrenzen überwindet und immer wieder neue Deutungen anbietet.
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem MUDAM Luxembourg, sodass sich ein Überblick zu Zobernigs Werk über zwei Kapitel entfaltet. Während die Skulpturengruppe an beiden Orten präsentiert wird, zeigte das MUDAM diesen Sommer eine chronologische Rückschau monochromer Bilder. Als Bindeglied zwischen den zwei Malerei-Segmenten fungiert ein monochromes Bild von 2013: Das jüngste, das im MUDAM zu sehen war, und das älteste der Bilder in der kestnergesellschaft in Hannover.
Heimo Zobernig lehrt seit 14 Jahren an der Akademie für bildende Künste Wien und war vorher Professor an der Städelschule in Frankfurt am Main. Er war bereits mehrfach bei der Biennale di Venezia (1988, 2001) und der documenta in Kassel vertreten (1992, 1997). Im Sommer 2015 wird Zobernig den Österreichischen Pavillon in Venedig bespielen.