Hanne Darboven (1941–2009) gehört zu den herausragenden internationalen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, und so richten die Bundeskunsthalle in Bonn und das Haus der Kunst in München gemeinsam eine parallele Retrospektive aus, um ihrer überragenden Bedeutung gerecht zu werden.
Hanne Darbovens anspruchsvolles Werk lässt sich als künstlerisches Schreibwerk, als bildende Kunst sowie als minimalistische Kompositionsarbeit und gleichzeitig auch zusammenfassend als Konzeptkunst beschreiben. Die Grundprinzipien ihrer Arbeit – die serielle Reihung, auf Logik und mathematische Formeln basierende Muster und die Umsetzung von Daten in grafische oder numerische Darstellungen – entwickelte sie ab Ende der 1960er Jahre, als sie das Tagesdatum zur Grundlage ihrer Arbeit machte. In bewusstem Gegensatz zum herkömmlichen Kunstbegriff stellte Darboven seitdem ihre Arbeiten in die Tradition von Schrift und Buch: Per Hand oder mit der Maschine auf einzelne Papierseiten geschrieben, ergeben sie raumgreifende, oft Hunderte von Blättern umfassende Installationen.
Als wachsame Beobachterin des politischen Geschehens ihrer Zeit sowie der Geschichte und Entwicklung unserer Kultur und Gesellschaft entwarf Hanne Darboven im Laufe der Jahre umfangreiche thematische Werke, die als schlichte Kommentare zu Tagesereignissen, aber auch als Hommage an große Dichter, Philosophen, Wissenschaftler, Politiker und Künstler zu lesen sind. Die Verknüpfung von Kunst und Politik sowie die Verbindung der einzelnen Ausdrucksformen – wie Literatur, bildende Kunst, Film und Musik – bestimmen das thematische Spannungsfeld ihrer ‚Erinnerungsarbeit‘ und zeithistorischen Chronik. Die Ästhetik ihrer seriellen Werke setzt nach wie vor Maßstäbe, verbindet sie doch formale Stringenz, eine dezidierte künstlerische Haltung und (kultur-)politisches Bewusstsein untrennbar mit virtuosem gestalterischem Ausdruck.
Die Ausstellung präsentiert die ästhetische und mediale Vielfalt des Werkes von Hanne Darboven, beide Standorte beleuchten jedoch unterschiedliche thematische Schwerpunkte. Im Zentrum stehen die für Darboven charakteristischen seriellen Schreib- und Zeichenarbeiten, frühe minimalistische Arbeiten, die sowohl Materialbilder als auch Konstruktionszeichnungen umfassen, sowie eigene musikalische Kompostionen, in denen sie Zahlensysteme in Notenfolgen umsetzte, und filmische Arbeiten. Darüber hinaus bilden ihr skulpturales bzw. objektkünstlerisches Werk und noch nie präsentierte, dreidimensionale Holzkonstruktionen aus den letzten drei Lebensjahren der Künstlerin – basierend auf den frühen Konstruktionen aus Mitte der 1960er Jahre – eine werkimmanente Klammer. Um die Arbeitsprozesse von Hanne Darboven und ihren gedanklichen Kosmos nachvollziehbar zu machen, bezieht die Ausstellung auch Materialien aus dem geräumigen Atelier- und Wohnhaus – ein enzyklopädisch anmutendes Archiv der Dinge – mit ein.