22.04.2009 - 04.10.2009
Neue und ungewöhnliche Blickwinkel auf die Kriegsberichterstattung von der Antike bis zur Gegenwart zeigt die Osnabrücker Ausstellung "Bilderschlachten - 2000 Jahre Nachrichten aus dem Krieg". Die Ausstellung wird anlässlich der Varusschlacht in Kalkriese bei Osnabrück, die sich 2009 zum 2000. Mal jährt, präsentiert.
Die Schau bietet erstmals eine Zusammenstellung von Exponaten aus den Bereichen Technik, Medien und Kunst. Wie hat die technologische Entwicklung das Bild vom Krieg verändert? Warum sind Kriegsberichte so erfolgreiche Konsumgüter? Im Museum Industriekultur Osnabrück, in der Kunsthalle Dominikanerkirche und im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum werden diese Fragen vom 22. April bis 4. Oktober beantwortet. Die vom European Media Art Festival dazu ausgewählten internationalen Künstlerinnen und Künstler begegnen den veröffentlichten Wahrheiten aus dem Krieg mit großen Zweifeln. Kontrovers und widerspenstig setzen sie sich mit den angeblich authentischen Medienberichten auseinander. Die Ausstellung zeigt, dass in den Köpfen der Betrachter weniger "Bilder von Schlachten" als eher "Bilderschlachten" entstehen. Oberbürgermeister Boris Pistorius sagte bei der Vorstellung des Projekts: "Für die Friedensstadt Osnabrück ist diese Ausstellung ein ambitioniertes Projekt, weil vier kulturelle Einrichtungen der Stadt gemeinsam einen Bogen von der Varusschlacht in die Gegenwart schlagen. Auf diese Weise wird die Mediengeschichte der vergangenen 2000 Jahre sichtbar.
Die Ausstellung besteht aus drei Teilen. In jedem der drei Häuser sind künstlerische, technische und historische Exponate zu den einzelnen Stationen versammelt. Wie sich die Bilder vom Krieg durch die Entwicklung der Medien verändert haben, zeigen historische Dokumente, technische Exponate, Filme und Fotografien. Aus dem künstlerischen Bereich sind Installationen, Collagen, Skulpturen und interaktive Arbeiten zu sehen.
Schon in der Antike überbrachten Stafettenläufer und Meldereiter Nachrichten von Sieg oder Niederlage, beispielsweise auf Papyrusrollen oder Wachstafeln. Rolf Spilker, Leiter des Museums Industriekultur, sagte: "Wir zeigen das Modell eines römischen Signalturms. Fundamente eines solchen Turmes sind in der Nähe von Bielefeld ausgegraben worden."
Erst der Buchdruck im ausgehenden Mittelalter ermöglichte eine massenhafte Verbreitung von schriftlichen Nachrichten. Etablieren konnte er sich in der frühen Neuzeit auch durch die Nachfrage nach Schlachtenbildern. Ebenso unterstützte der Bedarf an Kriegsbildern in der Folgezeit die Verbreitung von neuen Medien. So erhielt die Fotografie im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 einen starken Schub.
CNN konnte sich durch den Golfkrieg 1991 weltweit durchsetzen. "Warum vom Kriegsspektakel - sei es in Games, Hollywoodfilmen oder Zeitschriften - solche Faszination ausgeht, lässt sich mit Voyeurismus nur schwer erklären. Viele internationale Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung beschäftigen sich mit der Darstellung des Krieges, der durch die Massenmedien ins Wohnzimmer gelangt." erläuterte Hermann Nöring, künstlerischer Leiter des European Media Art Festivals.
Im 19. Jahrhundert wurden der Telegraf und die Fotografie erfunden und im Krieg eingesetzt. Die Orte des Krieges, das Schlachtfeld, die Zerstörungen, die Waffen waren nun mittels der Fotografien sichtbar.
Seit dem Ersten Weltkrieg kamen Flugzeuge mit Kameras zum Einsatz. Im Zweiten Weltkrieg bestimmten Radio und Film, seit den 1960er Jahren das Fernsehen die Berichterstattung über Kriege. "Im 21. Jahrhundert ist es per Handykamera jedem Augenzeugen möglich, Kriegsbilder zu erstellen und sie über das Internet zu vertreiben. Dadurch wird die Berichterstattung über den Krieg demokratisiert und der Kontrolle des Militärs scheinbar entzogen. Zugleich ist es jedoch unmöglich geworden, die Authentizität zu überprüfen" betonte der Leiter des Erich Maria Remarque-Zentrums, Dr. Thomas Schneider.
Fazit: Die Kriegswahrnehmung wurde und wird durch die Medien bestimmt.
Trotz der fortschreitenden Informationstechnik aber war und ist keine authentische Darstellung von Kriegsrealität möglich. Wie realistisch beispielsweise Filme zu diesem Thema sein können, kommentierte der Vietnam-Veteran William D. Ehrhardt 1998: "Realismus im Kino wäre eine explodierende Handgrante im Zuschauerraum."
Trotz der Medienkritik: Hinter allen Nachrichten aus dem Krieg stehen seit 2000 Jahren die Schicksale realer Menschen. Ein Granatsplitter aus dem Zweiten Weltkrieg im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum erinnert daran: Kriege finden - nicht nur vor dem Fernsehschirm - statt.