Die Kunsthalle Osnabrück wird im Herbst 2015 zum Schauplatz der zweiten Etappe des länderübergreifenden Ausstellungsprojektes, das dem slowenischen Kollektiv IRWIN gewidmet ist. Nach „Dreams and Conflicts“ in der Galleria Civica di Modena in Italien (2014), liegt der Ausstellungsfokus in Osnabrück auf der Hinterfragung der Machtstrukturen und ihren Repräsentationsformen sowie dem Zusammenspiel von Kunst und Ideologie.
Die Geschichte um das Kollektiv IRWIN, bestehend aus Dušan Mandić (1954), Miran Mohar (1958), Andrej Savski (1961), Roman Uranjek (1961) und Borut Vogelnik (1959), beginnt 1983 in Ljubljana. Aufgrund der nun mehr als drei Jahrzehnte andauernden Zusammenarbeit gilt IRWIN heutzutage als das langlebigste Künstlerkollektiv weltweit. Ihre Arbeitsweise ermöglicht, dass jedes Gruppenmitglied seine eigene künstlerische Ausdrucksweise beibehält und gleichzeitig Raum bleibt für fruchtbare Kooperationen mit anderen Künstlern wie Marina Abramović, Andres Serrano oder Joseph Beuys oder das Langzeitprojekt mit dem Kollektiv Neue Slowenische Kunst, kurz NSK. Zusammenarbeit und Austausch sind von Beginn an die Grundlage beider Kollektive, die sich in der politischen und kulturellen Realität der damaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien positionierten. Ihre Werke beruhen auf einer scharfen Analyse und einer gezielten Aneignung von Ikonen und von politisch oder religiös aufgeladenen Symbolen, die sie provokativ-ironisch aufbrechen und deren Absolutheitsansprüche sie in Frage stellen. Sie nutzen und dekonstruieren Propagandastrategien innerhalb ihres Kunstkonzepts, das die Konnotation und Wirksamkeit von Zeichen und Bild und die damit verbundenen Gesellschaftsentwürfe und -systeme untersucht.
Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks zu Beginn der 90er Jahre verändern sich die Bedingungen des künstlerischen Schaffens radikal. Nach dem blutigen Auseinanderfallen Jugoslawiens in nationale Kleinstaaten erfolgt 1991 die Transformation der Neuen Slowenischen Kunst in den „NSK State in Time“. Ein virtueller Staat, der weder über Grenzen noch Territorium verfügt, sondern sich als utopischer Staat der Gedanken versteht, dem man durch den Erwerb eines Passes beitreten kann. Inzwischen hat der NSK-State in Time tausende Anhänger weltweit und tritt mittels unterschiedlicher Kunstaktionen immer wieder in Erscheinung. Seit 1992 richtet NSK State in Time temporäre Botschaften und Konsulate ein, so u.a. in Moskau, New York oder Berlin. Ende September eröffnet auch in der Kunsthalle Osnabrück eine weitere NSK State-Dependance auf Zeit.
Nicht von ungefähr scheint die Stadt, in der 1648 der Westfälische Frieden verkündet wurde und die sich bewusst als Friedensstadt identifiziert, der richtige Ort für diese künstlerische Intervention zu sein. Denn hier, wo in über 50 Einrichtungen aktiv der Friedensgedanke gelebt wird, stellt man dieselben Fragen, welche die Künstlergruppe IRWIN umtreiben. Es sind Fragen nach Identität, Heimat, einer besseren Gesellschaft ohne einengende Grenzen. Fragen die aktueller kaum sein können.
Die dritte Etappe des Ausstellungsprojektes im Łaznia Centre for Contemporary Art in Danzig ist für 2016 geplant. Zum Abschluss des internationalen Projektes erscheint ein Katalog in Gemeinschaftsproduktion der Kunsthalle Osnabrück, der Galleria Civica di Modena, Italien und dem Łaznia Center for Contemporary Art in Danzig, Polen.