22.01.2011 - 13.04.2011
Die Metropole Berlin hat vielfältigen kulturellen und künstlerischen Einfluss auf die sogenannte Provinz genommen und künstlerische Konzepte und Stilistiken vielerorts inspiriert, beispielsweise über den Klassizismus Johann Gottfried Schadows oder auch über den radikalen Zeichengestus von Georg Grosz oder Ludwig Meidner. Ein großer Einfluss ging auch von den Neuen Wilden aus - etwa vom unbekümmerten neoexpressiven Zeichenstil eines Rainer Fettings oder den verstörend tabulosen Arbeiten Salomés zu elementaren Themen wie Angst, Gewalt oder Sexualität.
Diese Einflüsse sind höchst aktuell geblieben und lassen sich bereits auch sehr früh in der Osnabrücker Kunst nachweisen. Die von Berlin ausgehenden Impulse werden also stilistisch und motivisch an vielen Beispielen und Aspekten der Stadtgalerie-Ausstellung augenfällig. Somit steht die Ausstellung "lokaler Künstler" auch in einem direkten Bezug zur Hauptausstellung "Berlin zeichnet".
Die in der Kunsthalle und in der Stadtgalerie gezeigten Bilder sind allerdings mehr als nur die Zeugnisse von kunsthistorischen und aktuellen Kultureinflüssen. Denn sie entsprechen auch individuellen künstlerischen Entwicklungen und Stilistiken und sind mit globalen Kunstvernetzungen und -erfahrungen verbunden.
Einen weiteren Zusammenhang ergibt sich für die Osnabrücker Kunst durch die aktuelle Entwicklung in Berlin als junge Kunstmetropole. Berlin leistet aktuell nicht nur wieder einen wichtigen Beitrag zur intellektuellen Auseinandersetzung mit Bildender Kunst auf globaler Ebene, sondern zieht auch Künstler aus aller Welt an. Viele ehemals Osnabrücker Künstler sind nach Berlin gezogen. Aber umgekehrt arbeiten auch Künstler aus Berlin in Osnabrück. Auch mit diesen Phänomenen beschäftigt sich die Ausstellung "Osnabrücker Zeichner - Tradition und Moderne 1900 - 2010" und präsentierten somit auch Künstler wie zum Beispiel Friedel Kantaut oder Thomas Bühler, die heute in Berlin oder im nahen Umfeld der Metropole leben und arbeiten.
In der Ausstellung sind mit circa 30 Positionen wichtige Osnabrücker Künstler mit repräsentativen Bildbeispielen vertreten. Neben den Schwerpunkten Landschaft und Porträt finden sich auch Interieurs, Stilleben, Ereignismotive und abstrakte sowie informelle Werke.
Das Spektrum reicht von frühen Landschafts- und Porträtzeichnern, die von der traditionellen akademischen Ausbildung und der Verbindung Osnabrücker Künstler zu Künstlern der Worpsweder Künstlerkolonie, sowie der Landschaftsdarstellung niederländischer Künstler des 17. und 18. Jahrhunderts beeinflusst sind (unter anderem Franz Hecker) über den Einfluss der Neo-Renaissancemalerei und des Klassizismus Berliner Künstler, der in Osnabrück unter anderem im Wirken des Zeichners und Malers Bernhard Feldkamp spürbar wird.
Die expressive und realistische, stark von Entwicklungen in Berlin unter anderen mit Bezugnahmen auf Musik und das Theaterleben beeinflusste expressive und neusachliche Kunst der 1920er und 1930er Jahre, ist mit Reisemotiven und Darstellungen aus dem Kulturleben Osnabrücks vertreten (unter anderem Anna Gela Krug von Nidda).
Die Zeit von 1933 bis 1945 ist dokumentiert durch die sogenannten Trümmerbilder der im Weltkrieg schwer zerstörten Stadt Osnabrück. Die Widersprüchlichkeit des künstlerischen Schaffens dieser Jahre kommt auch darin zum Ausdruck, dass Franz Josef Langer als Kriegsmaler der Deutschen Wehrmacht diesen Bildern der Zerstörung seiner Heimatstadt, in einer Porträtserie die Gesichter von Kriegsgefangenen aus Russland gegenüberstellt. Diese Bilder und Langers Briefe in die Heimat dokumentieren allerdings auch das gewandelte Verhältnis des Künstlers gegenüber dem Nationalsozialismus, drei Jahre vor Kriegsende. Künstler wie Johann Brand oder Gerhard Sperling stehen für die frühe Nachkriegszeit und die verdienstvolle Nachkriegselite, die das Kulturleben in der schwer kriegszerstörten Stadt wieder aufleben ließ. Zahlreiche Zeichnungen dieser Künstler sind nicht nur Ausdruck einer düsteren Nachkriegsatmosphäre in Trümmerlandschaften, sondern sie sind auch Zeichen eines neuen Selbstverständnisses einer von staatlichen oder kommunalen Einflüssen autonomen Osnabrücker Kunst.
In den 1970er und frühen 1980er Jahren kommt es mit dem Heraustragen kunstimmanenter und kulturrelevanter Fragen in die Öffentlichkeit zu einer Politisierung der Kunst in Osnabrück. Diese Phase, die ebenfalls in Zeichnungen der Stadtgalerie-Ausstellung zum Ausdruck kommt, war verbunden mit einer Stärkung realistischer Ten-denzen in Osnabrück und ging auch mit der Gründung entsprechender Künstlerzusammenschlüsse einher.
Im Verlauf der Auseinandersetzung um realistische oder abstrakte Positionierungen kam es dann im Verlauf der 1980 Jahren zum Auseinanderbrechen und zu Abspaltungen innerhalb der Osnabrücker Künstlerverbände oder -vereinigungen. Unter dem Einfluss von Abstraktion, Informell, Zero und Pop-Art sowie Graffiti, Neuer Medien und neuer Tendenzen innerhalb der Objekt- und Installationskunst hat die Kunstszene Osnabrück einen grundlegenden Wandel erfahren. Rudolf Englerts experimentelle Vorgehensweisen oder Klaus Kijaks und Friedel Kantauts Crossover-Konzepte stehen für dieses gewandelte Bild der Kunst "Made in Osnabrück." Doch auch auf die Umbruchzeit der späten 1980er Jahre mit den Vorgängen im Ostblock und der Wiedervereinigung wird ein Fokus gelegt. Der Künstler Völker Köpp, der unmittelbar nach der Wiedervereinigung für einige Jahre in Osnabrück lebte und hier auch ein Atelier hatte, hat in einer Reihe Selbstporträts die "bleierne Zeit" (Köpp) und Drangsalierungen, die er in der DDR erlebt hatte, eindrucksvoll Ausdruck gegeben.
Unter dem Eindruck weltweiter ökologischer Krisen gibt es aktuell wieder eine Reihe von Künstlern, die sich mit elementaren Themen wie dem Klimawandel und der Naturzerstörung oder ganz allgemein politische, wissenschaftliche oder soziale Vorgänge in der Gesellschaft reflektieren (Martin Lichtenberg, Werner Kavermann, Fritz Neidhardt).
Viele aktuelle in der Präsentation gezeigten Arbeiten entstanden speziell für den Anlass der Ausstellung.