Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
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Kunsthalle Düsseldorf

Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
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Grabbeplatz 4
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211 89 962 40
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Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr

Real Humans

07.02.2015 - 19.04.2015

Was ist ein „wah­rer“ Mensch? Was zeich­net ihn bio­lo­gisch und so­zio-kul­tu­rell aus? Was macht ihn un­ter­scheid­bar von an­de­ren We­sen? Wie sou­ve­rän ist der Mensch und wel­che Kräf­te be­stim­men sein Han­deln, Den­ken und Selbst­ver­ständ­nis? Die Ge­schich­te hat ge­zeigt wie wan­del- und ver­än­der­bar die mensch­li­che Spe­zi­es und un­se­re Vor­stel­lun­gen vom Mensch-Sein sind. In den letz­ten Jah­ren hat die Fra­ge nach dem „wah­ren“ Men­schen ins­be­son­de­re auf­grund der zu­neh­men­den Di­gi­ta­li­sie­rung al­ler Le­bens­be­rei­che wie­der an Bri­sanz ge­won­nen. Was wir als mensch­lich be­trach­ten, ist ei­ne nor­ma­ti­ve Kon­ven­ti­on die je­doch al­les an­de­re als sta­tisch ist. Die Ein- und Aus­schlüs­se die da­durch pro­du­ziert wer­den, sind eben­so wan­del­bar wie die Grund­an­nah­men auf de­nen die Nor­men be­ru­hen.
Un­ter dem Ti­tel Re­al Hu­mans ver­eint die Aus­stel­lung Wer­ke der drei US-ame­ri­ka­ni­schen Künst­ler Ian Cheng, Wu Tsang und Jor­dan Wolf­s­on, die in ih­ren mul­ti­me­dia­len Ar­bei­ten auf un­ter­schied­li­che Wei­se Be­din­gun­gen des Mensch-Sein re­flek­tie­ren. Wäh­rend Ian Cheng mit Hil­fe von com­pu­ter­ge­ne­rier­ten Si­mu­la­tio­nen Wel­ten schafft, in de­nen der Mensch durch ko­gni­ti­ve Mu­ta­tio­nen sein und das Le­ben sei­ner Um­welt ver­än­dert, the­ma­ti­siert Wu Tsang in sei­nen Fil­men und Per­for­man­ces For­men von Ge­mein­schafts­bil­dung und da­mit ver­bun­de­ne Fra­gen von Re­pres­si­on und Dis­kri­mi­nie­rung. Jor­dan Wolf­s­on wie­der­um legt die Dy­na­mik von psy­cho­lo­gi­schen Iden­ti­täts­pro­zes­sen in­ner­halb ei­ner ka­pi­ta­lis­ti­schen (Bild-)Welt of­fen.
Im Mit­tel­punkt von Ian Chengs (*1984, USA) bis­he­ri­gem Schaf­fen steht die Ent­wick­lung von Echt­zeit­si­mu­la­tio­nen – ein di­gi­ta­les Ver­fah­ren zur Her­stel­lung von po­ten­ti­ell end­lo­sen und un­vor­her­seh­ba­ren Ani­ma­tio­nen. Die Ver­hal­tens­wei­sen der Fi­gu­ren und ih­re Ver­hält­nis­se un­ter­ein­an­der sind zwar pro­gram­miert, je­doch nicht der tat­säch­li­che Ver­lauf ih­rer In­ter­ak­ti­on. Die­ser wird in rea­ler Zeit be­rech­net, so­dass Bild und Klang li­ve ver­formt und trans­for­miert wer­den. Im Vor­der­grund steht kei­ne Er­zäh­lung son­dern das Er­eig­nis der Ver­än­de­rung: Fi­gur und Hin­ter­grund chan­gie­ren, wäh­rend je­de Ak­ti­on für den Fort­gang der Ani­ma­ti­on glei­cher­ma­ßen (ir)re­le­vant ist. Cheng be­greift den Men­schen und sei­ne me­dia­le Um­welt als das Er­geb­nis ei­ner mil­lio­nen­jäh­ri­gen, evo­lu­tio­nä­ren Mu­ta­ti­on. Die Echt­zeit­si­mu­la­tio­nen die­nen ihm da­bei als ein Ex­pe­ri­ment, um das Ver­hält­nis von Mensch und Um­welt in­ner­halb tech­no­lo­gi­scher Be­din­gun­gen neu zu den­ken, in­dem er na­he­zu au­to­nom fort­lau­fen­de Evo­lu­tio­nen ima­gi­niert. An­ders als im Gen­re des Sci­ence-Fic­tion Films üb­lich, wo häu­fig äu­ße­re Ein­flüs­se zur Ver­än­de­rung von mensch­li­chen Le­bens­we­sen und –wei­sen füh­ren, spe­ku­liert der Künst­ler in die­sen Ar­bei­ten, wie sich Mensch und Welt durch in­ne­re Mu­ta­tio­nen ent­wi­ckeln könn­ten. Wie wirkt sich ein an­ders­ar­ti­ges men­ta­les Set­ting auf Ver­hal­ten und Hand­lung aus? Was pas­siert wenn Le­be­we­sen und Din­ge mit ei­nem neu­ar­ti­gen Be­wusst­sein aus­ge­stat­tet sind? Die Ani­ma­tio­nen stel­len ei­ne Mög­lich­keit dar, der­ar­ti­ge (un)vor­stell­ba­re Evo­lu­tio­nen spie­le­risch er­fahr­bar zu ma­chen.
Wu Tsangs (*1982, USA) In­ter­es­se gilt un­ter­schied­li­chen For­men von Iden­ti­täts­kon­struk­tio­nen und da­mit ver­bun­de­nen Fra­gen von Zu­ge­hö­rig­keit. In sei­nen Fil­men und Per­for­man­ces un­ter­sucht Tsang die Leer­stel­len zwi­schen dem Selbst und dem An­de­ren in­dem er Le­bens­ge­schich­ten von Men­schen the­ma­ti­siert, die bei­spiels­wei­se auf­grund ih­rer Se­xua­li­tät oder eth­ni­schen Her­kunft als an­ders­ar­tig wahr­ge­nom­men und aus­ge­grenzt wer­den. Oft ist sein per­sön­li­ches En­ga­ge­ment in der Trans­gen­der-Sze­ne und im Ein­wan­de­rer-Mi­lieu Aus­gangs­punkt für sei­ne künst­le­ri­sche Ar­beit, in der er die all­täg­li­chen Er­leb­nis­se der Prot­ago­nis­ten re-in­sze­niert, Re­pres­sio­nen auf­zeigt aber auch Pro­zes­se der Trans­for­ma­ti­on und An­er­ken­nung be­schreibt. Zen­tral ist das Spiel mit Sprech­ak­ten, die Iden­ti­tät her­vor­brin­gen und fest­schrei­ben aber auch ver­än­dern kön­nen. Durch die Me­tho­de der „full bo­dy quo­ta­ti­on“ (Ganz­kör­per­zi­tat/–Zi­tie­rung) schafft Tsang ei­nen Ver­frem­dungs­ef­fekt, der die Span­nung zwi­schen der Dar­stel­lung und dem Dar­ge­stell­ten mar­kiert. Ei­ni­ge Wer­ke, dar­un­ter der mehr­fach preis­ge­krön­te Fil­me Wild­ness (2012), sind im Stil des ma­gi­schen Rea­lis­mus ge­hal­ten der die Ein­bet­tung des Wun­der­ba­ren in den Hand­lungs­ver­lauf er­laubt oh­ne es als Ir­ra­tio­na­li­tät oder Ano­ma­lie ein­zu­füh­ren.
Ent­schei­dend für Jor­dan Wolf­s­ons (*1980, USA) Ar­bei­ten ist, dass man als Be­trach­te­rin das Werk stets ver­zerrt wahr­nimmt und es kei­nen Wahr­neh­mungs­ort oder -zeit­punkt gibt, an dem es in sei­ner Gän­ze zu er­fas­sen ist. Über­haupt hat der Kör­per der Zu­schaue­rin bei Wolf­s­ons Werk ei­ne wich­ti­ge Rol­le. Zen­tral ist hier­für der stets wie­der­keh­ren­de Blick, der ei­ne di­rek­te An­spra­che der Be­trach­te­rin er­mög­licht – das An­ge­blickt-Wer­den lenkt die Auf­merk­sam­keit auf die ei­ge­ne Per­son und macht die Re­zep­ti­ons­si­tua­ti­on ge­wahr. Die für Re­al Hu­mans aus­ge­wähl­ten Ar­bei­ten zeich­nen sich durch die Mon­ta­ge von Bil­dern aus, die aus un­ter­schied­li­chen Kon­tex­ten stam­men. Das teils com­pu­ter­ge­ne­rier­te, teils fo­to­gra­fi­sche/fil­mi­sche Ma­te­ri­al zeigt mar­kan­te Sym­bo­le oder Ges­ten aus der Pop- und Ju­gend­kul­tur, ei­ne Über­fül­le an Kon­sum­gü­tern, kul­tu­rel­le Ar­te­fak­te eben­so wie se­xua­li­sier­te und au­to­de­struk­ti­ve Dar­stel­lun­gen. Da­bei ver­mei­det Wolf­s­on ei­ne mo­ra­li­sche Bot­schaft oder Be­ur­tei­lung die­ser so­g­haf­ten Bil­der­flu­ten. Es ist eher ein Fla­nie­ren zwi­schen den ein­zel­nen Strän­gen, die vor­füh­ren, dass un­se­re er­leb­te Welt ei­ne vol­ler un­end­li­cher Wahl­mög­lich­kei­ten ist. Zwi­schen all den Bil­dern, Wa­ren und Sty­les ar­ti­ku­liert sich ei­ne Sehn­sucht nach Zu­ge­hö­rig­keit und In­ti­mi­tät glei­cher­ma­ßen wie ein Be­dürf­nis nach Ab­gren­zung und Ein­zig­ar­tig­keit. Wolf­s­on spielt mit den My­then und Be­deu­tun­gen der ka­pi­ta­lis­ti­schen Bild­welt, die das Be­geh­ren und die Ima­gi­na­ti­on be­ein­flus­sen – im Strom ih­rer Vi­ru­lenz ent­fal­tet sich ein zwei­glei­si­ger Pro­zess des In­di­vi­du­ums zwi­schen Selbst­be­stim­mung und Selbst­zer­stö­rung.
Auf­fäl­lig sind die Ver­knüp­fun­gen zwi­schen den ein­zel­nen Po­si­tio­nen der drei Künst­ler: die Be­schäf­ti­gung mit Iden­ti­täts­ent­wür­fen, die auf Dif­fe­renz be­ru­hen, und das Hin­ter­fra­gen von Norm­vor­stel­lun­gen. Auch wie­der­keh­ren­de for­ma­le Ele­men­te wie Spie­gel und spie­geln­de Flä­chen so­wie das An­bli­cken der Be­trach­te­rin sind ver­bin­dend. So the­ma­ti­siert Ian Cheng in sei­ner Ar­beit Big­ger Than Your Blog (2001) wie sich mensch­li­che Iden­ti­täts- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­se in­ner­halb ei­ner tech­no­lo­gi­schen Um­welt ver­än­dert ha­ben. Die Skulp­tur ist ei­ne Art Selbst­re­flek­ti­on, die in ih­rer Form an di­gi­ta­le Nach­rich­ten er­in­nert, die pri­va­te Wün­sche und Ge­dan­ken zum Aus­druck brin­gen. Auf­ge­tra­gen ist sie auf ei­nem re­flek­tie­ren­den Stoff. Wu Tsang hin­ge­gen dient der Spie­gel zur kri­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit der Re­prä­sen­ta­ti­on von in­di­vi­du­el­len Le­bens­ge­schich­ten. In der Vi­deo­in­stal­la­ti­on DA­ME­LO TO­DO // ODOT OLEMAD (2010, 2014) bei­spiels­wei­se wird durch den ge­ziel­ten Ein­satz von Spie­geln der Blick der Be­trach­te­rin mehr­fach ge­bro­chen auf sich selbst zu­rück­ge­wor­fen. Der Film ist nicht ganz­heit­lich zu er­le­ben, wo­durch die Mög­lich­keit ei­ner voll­stän­di­gen Ab­bil­dung der Rea­li­tät in Fra­ge ge­stellt wird. Doch der Film ist da­durch we­ni­ger als ei­ne ge­schei­ter­te Wie­der­ga­be der Wirk­lich­keit zu ver­ste­hen. Viel­mehr ver­deut­licht der Künst­ler wie sub­jek­tiv die Rea­li­tät ist – die Bil­der sind eben­so re­al wie ih­re Ge­schich­ten da­hin­ter. Mit dem An­bli­cken der Be­trach­te­rin mar­kiert Jor­dan Wolf­s­on in der Vi­deo­in­stal­la­ti­on Raspber­ry Po­ser (2012) nicht nur de­ren kör­per­li­che Si­tua­ti­on als Re­zi­pi­en­tin. Er schafft da­mit auch ei­nen Kom­men­tar auf ei­ne Form von In­di­vi­dua­ti­on, die dar­auf be­ruht, wie wir Bil­der, Wa­ren, Ges­ten und Sym­bo­le kon­su­mie­ren, uns an­eig­nen oder die­se ver­äu­ßern. Erst sie bie­ten dem Selbst ei­nen Spie­gel, in dem es sich wie­der­er­ken­nen kann.
In­dem die Künst­ler je ei­nen ei­ge­nen Raum für die Prä­sen­ta­ti­on ih­rer Wer­ke er­hal­ten, lässt das Aus­stel­lungs­for­mat ei­nen Er­fah­rungs­raum von sin­gu­lä­ren Be­geg­nun­gen so­wie Ver­knüp­fun­gen zwi­schen den Ar­bei­ten zu.

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