Auf den ersten Blick erscheint die figurative Malerei Christian Brandls sehr normal, klassisch verortet, fast langweilig. Bei näherer Betrachtung jedoch wird Spannung spürbar, eine untergründige Beunruhigung - vergleichbar Filmstills aus Hitchcock-Klassikern. Obschon gegenständlich, sind die Bilder Brandls „abstracts“. Mit wenigen Ausnahmen kann man sie weder zeitlich noch lokal verorten. Seine Protagonisten lässt Brandl in Modeklassikern der 1960er Jahre auftreten, die den Dresscode bis heute bestimmen: der Herr im dunklen Einreiher mit Clubkrawatte, die Dame im Kostüm oder Etuikleid – scheinbar „zeitlos“, so, wie heute noch Bilder von den Kennedys, Cary Grant oder Tippy Hedren wirken. Die (Innen-) Architektur drückt die gleiche gepflegte, gutbürgerliche Verwechselbarkeit aus: Streifentapeten, holzverkleidete oder reinlich verputzte Fassaden, eine etwas angejahrte rundbogige Haustür oder ein altmodischer Blumenerker. Selbst die Natur, soweit als Garten in des Bürgers Hand, scheint diesem Diktat der zurechtstutzenden Ordnung unterworfen: Man(n und Frau) hat sich im Griff.
Dann aber sorgen die in den Bildern angelegten Brüche für „suspense“. Die Figuren Brandls lachen nie, sind häufig angespannt, stehen unter innerem Zwang – mindestens dem, Haltung zu bewahren. Meist schauen sie weg, ins Leere, aneinander oder jedenfalls am Betrachter vorbei. Sie sind allein, mehr noch: isoliert, als ob sie die Präsenz des Anderen als Belastung empfänden – immer kurz vor oder nach einem Krach. Eine Ikonographie der Spannung, der Anstrengung, der Abwendung, der Trennung. Es ist ein hoher Preis, den die Protagonisten für die Wahrung des schönen Scheins zu entrichten haben. Die Sprache der Bilder Christian Brandls ist leise, aber unerbittlich. Mit dem Stilmittel des „stills“ zwingt er den Betrachter, das „davor“ und das „danach“ zu denken und macht die Zeit der Menschen zum eigentlichen Thema. Wir sind dabei, so die Botschaft, unsere Zeit mit Oberflächlichem zu vergeuden. Über dem ganzen materiellen Wohlstand haben wir uns selbst, unsere Mitmenschen und den Einklang mit der Natur verloren. Wir sind nicht mehr im Maß mit unserem Leben. Mit dem Leben. Es sind Zustandsbilder der Entfremdung, die Christian Brandl malt und zeichnet. Christian Brandl, 1970 in Erfurt geboren, studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Prof. Arno Rink und war anschließend Meisterschüler bei Prof. Ulrich Hachulla. Seit 2002 ist er freiberuflich in Leipzig als Maler und Grafiker tätig. Mehrfach stellte er seine Werke in Gruppen- und Einzelausstellungen zur Diskussion. Eine Personalausstellung im musealen Raum fand bisher jedoch nicht statt. Dieser Aufgabe stellte sich der Erfurter Kunstverein in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Erfurt.