19.09.2008 - 25.01.2009
Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung präsentiert im Winter 2008-2009 eine faszinierende, multimediale Ausstellung, die überraschende Einblicke in die Bildwelt des Meistererzählers Walt Disney (1901-1966) gewährt. Ob Kind oder Greis, jeder kennt die großen Klassiker des Zeichentrickfilms, wie Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937), Fantasia (1940) oder Das Dschungelbuch (1967). Dennoch bemerken nur die wenigsten, wie tief die Bilder dieser Filme in der europäischen Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurzeln. In der Gegenüberstellung von Originalzeichnungen, Malereien, Figurmodellen und Filmausschnitten des frühen Disney Studios (1928-1967) mit Gemälden und Skulpturen von Künstlern der deutschen Romantik, des französischen Symbolismus, der Viktorianischen Malerei und des Surrealismus, zeigt die Ausstellung konkrete Verbindungen zwischen der populären und der hohen Kunst, zwischen Literatur und Film sowie zwischen der amerikanischen und europäischen Kultur.
Die Ausstellung beginnt mit eine Übersicht von Disneys Entwicklung des Zeichentrickfilms: Von den frühen Schwarz-Weiß-Kurzfilmen wie Steamboat Willie (1928) geht es zu seinem ersten großen Zeichentrickfilm Schneewittchen und die sieben Zwerge, der den internationalen Durchbruch für Disney bedeutete und das Medium der Animation auf das Niveau von Hollywood-Klassikern erhob. Anhand selten gezeigter Skizzen und Gemälde aus der Disney Animation Research Library in Los Angeles wird die Pionierrolle des Disney Studios anschaulich gemacht. Dort arbeitete ein Team internationaler Künstler, denn Walt Disney selbst hatte das Zeichnen schon früh aufgegeben, um sich ganz seinem eigentlichen Talent, der Erzählkunst zu widmen. Er konzentrierte sich darauf literarische und künstlerische Quellen zu entdecken, die er dann von seinem Team hochbegabter Künstler in Meisterwerke der Animation umsetzen ließ.
Als Walt Disney 1935 eine Reise nach Europa unternahm, erwarb er hier über 350 illustrierte Bücher, neben Märchenbänden auch Klassiker der Literatur- und Kunstgeschichte. Diese Bibliothek wurde zu einem wichtigen Grundpfeiler seines Studios: Künstler wie Albrecht Dürer, Pieter Breughel, Giovanni Piranesi, Honoré Daumier, Gustave Doré, Gustave Moreau, Victor Hugo, Arnold Böcklin, Franz von Stuck, Moritz von Schwind, Caspar David Friedrich, Richard Dadd und John Atkinson Grimshaw können anhand dieser Bibliothek als konkrete Inspirationsquellen für seine Zeichner nachgewiesen werden. Das gleiche gilt für die Arbeit Eugène Viollet-le-Ducs, die im 19. Jahrhundert zur Wiederentdeckung der gotischen Architektur führte, oder Schloss Neuschwanstein, der berühmteste Bau des Märchenkönigs Ludwig II., die den Mitarbeitern Disneys auch durch solche Bücher vertraut waren.
Für sein Studio engagierte Disney die besten Zeichner, viele von ihnen kamen aus Europa, wo sie eine klassisch-akademische Ausbildung genossen hatten. So zum Beispiel der Schweizer Albert Hurter (1883-1942), der Schwede Gustaf Tenggren (1896-1970) oder der Däne Kay Nielsen (1886-1957). Sie kombinierten ihre Kenntnis der europäischen Kunst und Folklore verschiedenster Epochen mit den Einflüssen ihrer neuen Heimat Amerika. Dies war die ideale Voraussetzung für eine innovative Bildsprache, die dann die ganze Welt eroberte.
In München werden Meisterwerke der Animation, die zu Lebzeiten Disneys entstanden, nun also Meisterwerken der Kunstgeschichte gegenübergestellt, denen sie ihre Inspiration verdanken. Mit dem Kurzfilm Destino, der auf eine Zusammenarbeit zwischen Walt Disney und Salvador Dalà zurückgeht, kulminiert dieser Austausch zwischen den Bildmedien. Die beiden Genies schätzten sich als Künstler gegenseitig und so beauftragte Disney den großen Surrealisten einen Kurzfilm zu gestalten, wofür Dalà zahllose Skizzen und Gemälde anfertigte. Der Film wurde aber erst 2003 realisiert und wird in der Ausstellung gezeigt.
Die Ausstellung wurde 2006 bis 2007 mit großem Erfolg bei Presse und Publikum im Pariser Grand Palais und anschließend im Montreal Museum of Fine Arts gezeigt. Im Auftrag der französischen Réunion des Musées Nationaux und des Montreal Museum of Fine Arts wurde die Ausstellung unter der Leitung von Bruno Girveau, Chefkurator an der Pariser École Nationale Supérieure des Beaux-Arts unter dem Titel: Il était une fois Walt Disney, aux sources de l'art des studios Disney realisiert. Für München wird die Ausstellung durch Bruno Girveau und Pierre Lambert, Zeichentrickfilmexperte, in Zusammenarbeit mit Roger Diederen, dem Kurator der Kunsthalle, noch einmal neu zusammengestellt und wandert danach in das Helsinki City Art Museum.