25.07.2009 - 06.09.2009
Mit der ortsspezifischen Installation "On the Way to the Alps I see Sand" bezieht sich der thailändische Künstler Att Poomtangon (geb. 1973 in Bangkok) ganz unmittelbar auf die geografische Verortung des Portikus und nutzt den die Portikusinsel umgebenden Main als Ausgangspunkt für eine weit reichende Recherche rund um das Thema des gesellschaftlichen Umgangs mit natürlichen Ressourcen und den ökonomischen Zwängen, die daraus resultieren. Wie so oft für Poomtangon war Ausgangspunkt der Arbeit zunächst Recherchematerial aus Digital- und Printmedien: zur Bedeutung der Ressource Wasser, den Fischereibetrieben, dem gesellschaftlichen Verhältnis zum Fischfang im Zusammenhang der Nahrungspyramide, einer niedergehenden Biodiversität und zum Fluss, dem Main in Frankfurt, allgemein auch in einem historischen Rückblick. Wie uns allen bewusst ist, nimmt die Vielfalt der Fischbestände fortlaufend ab, und es verändert sich dadurch das ökologische Gleichgewicht in unseren Flüssen.
Diese Überlegungen reichen weit über den lokalen Fokus hinaus und assoziieren die Situation der Fischbestände hierzulande mit den Bedingungen in Poomtangons Heimatland Thailand, wo man noch heute traditionell auch mit und vom Fischfang lebt. Noch immer weit verbreitet, wird Fischfang in Thailand sehr direkt vollzogen: Mit übergroßen, einfachen LKW-Schläuchen und Plastikschüsseln bewegen sich die Fischer auf dem Wasser. Sie fischen stehend, wie von einer kleinen Insel aus, die Fische aus dem Wasser. Die Plastikschüssel dient gleichzeitig als Boot wie auch als Behältnis für den Fang. Andererseits wird in Thailand aber auch großen Wert auf die Ehrung der Tierwelt gelegt, die auch gesellschaftliche Rituale einschließt. In Tempelanlagen treffen sich die Menschen, um die Fische zu füttern und ihrem Treiben zuzusehen. Diese Momente haben nicht zuletzt auch eine ganz distinkte soziale Funktion der Kommunikation.
Im Ausstellungsraum des Portikus ist nun ein ca. 90qm großes Wasserbecken eingelassen, auf dessen Wasserfläche kleine improvisierte Schlauchboote schwimmen, die über einen hölzernen Steg erreichbar sind. Wer mutig genug ist, kann sich in Plastikschüsseln und Gummireifen auf das etwa 60-70 cm hohe Wasser begeben und durch den Ausstellungsraum paddeln, um auch das an den Wänden angebrachte Recherchematerial zu sichten. Der Raum ist verdunkelt, und nur geringe, punktuelle Lichtquellen in der Art von abgehängten fischförmigen Leuchtobjekten geben Orientierung innerhalb der Ausstellung.
Dabei geht es Att Poomtangon mit dieser Installation um den gesellschaftlichen Hinweis, die Veränderung unserer Umwelt nicht unbeachtet zu lassen. Die Situation, die er herstellt, ist allerdings nicht diejenige einer unmittelbar politischen Diagrammatik, vielmehr sucht er die rituelle Stimmung eines thailändischen Tempels herzustellen, in dem die Sinne geschärft und über den eigenen physischen Einsatz Sensibilisierungsprozesse erreicht werden.
Diese Annährung an grundlegende Themen gesellschaftlicher Auseinandersetzung und die Hinterfragung technologischer Errungenschaften, die das Ökosystem tiefgreifend beeinflussen, begleitet Att Poomtangons künstlerische Arbeit bereits über mehrere Jahre hinweg, und es gelingt ihm auf eher poetische Weise unter Zuhilfenahme einer kultureller Übersetzung dem nachzuspüren, was verloren geht in einer Gesellschaft automatisierter Prozesse.
Die Arbeit The Devil Finds Work for Idle Hands to do aus dem Jahr 2007 beispielsweise benutzt die kulturelle Metapher, um moralische Parameter zu reflektieren. Die Installation aus über Monate gesammelten, nachbearbeiteten aber im Grunde nutzlosen beinahe 200 Treibholzstücken vom Mainufer verfolgt die Vorstellung des persönlichen Konflikts, den Goethe gehabt haben mag, als er seine berühmte Tragödie Faust schrieb und seinen Protagonisten um des Erfolges Willen den Pakt mit dem Teufel eingehen ließ. The Devil Finds Work for Idle Hands to do folgt diesem Verlauf und überträgt ihn auf die Idee der progressiven Absorption. Das Stecheisen und die Säge, die mit ausgestellt werden und ironischerweise ebenfalls mit dem (Firmen-)Namen „Faust“ etikettiert sind, dienen als „Beweis“, dass der Künstler persönlich langsam und mühevoll die Details von des Teufels Huf von einzelnen Ästen und Baumstämmen geschnitzt hat.
Mit Nouvelle Cuisine Fast Food, 2008, thematisiert Att Poomtangon die alltägliche Notwendigkeit der Nahrungsmittelaufnahme und schmilzt mit einer eher bewussten Ernährung verbundene asiatische Lebensmittel und Gewürze im rohen Zustand zu einem tiefgefrorenen Hamburger-Format, ähnlich einem futuristischen Bild von perfektioniert-kontrollierter Daseinsform.
Att Poomtangon wurde 1973 in Thailand geboren und studierte bis 1999 an der Chiangmai University in Chiangmai (Thailand) Kunst mit dem Schwerpunkt Skulptur. Im vergangenen Jahr schloss er darüber hinaus sein Meisterschüler-Studium bei Tobias Rehberger an der Städelschule in Frankfurt am Main ab. Bei der Ausstellung Fare Mondi – Making Worlds der 53. Internationalen Ausstellung der Venedig Biennale zeigte Poomtangon zuletzt eine raumgreifende, öffentliche Skulptur auf dem Gelände der Arsenale. Im vergangenen Jahr zeigte der Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden Poomtangons Arbeiten in der Einzelausstellung Something about Tomorrow Evening.