30.05.2009 - 12.07.2009
Dan Graham wurde 1942 in Urbana, Illinois geboren und wuchs zeitweilig im Bundesstaat New Jersey auf. Seit Anfang der 1960er Jahre lebt er in New York und zählt zu den einflussreichsten Künstlern seiner Generation. Sein künstlerischer Werdegang gestaltete sich von Anfang an recht interdiziplinär, da er sich gleichzeitig als Musikjournalist, Fotograf, Galerist, Kunsttheoretiker und Kulturkritiker betätigte. So gründete er etwa 1964 gemeinsam mit Freunden die John Daniels Galerie. Dort wurden u.a. erste Ausstellungen von Dan Flavin und Sol LeWitt gezeigt. Ein Jahr später, nach der Schließung der Galerie, nahm Graham seine eigene künstlerische Arbeit auf. Aus all diesen Bereichen und Tätigkeiten flossen Erkenntnisse unmittelbar in seine künstlerische Arbeit ein. Bereits 1972 wurden Dan Grahams Arbeiten erstmals auf der Documenta 5 in Kassel und 1976 auf der Biennale in Venedig präsentiert. Seit den 1970er Jahren war er kontinuierlich in nahezu allen wichtigen internationalen Ausstellungsprojekten vertreten.
Dan Graham widmet sich in seinem künstlerischen Werk komplexen Fragestellungen zu kulturellen Ideologien und Ordnungsprinzipien, innerhalb derer die Reflexion über die Frage nach der Autonomie des künstlerischen Werks eine bedeutende Rolle einnimmt. So beschäftigt er sich beispielsweise mit Themen aus dem Bereich der Populärkultur, unter anderem auch mit Punk-Rock Musik, sowie der Rolle der Architektur und deren Stellenwert in der postmodernen Gesellschaft. Urbane Oberflächen, architektonisches Dekor und allgemein der Formendiskurs stehen im Mittelpunkt seiner Überlegungen und nimmt dabei stets Bezug auf konkrete Elemente der Alltagskultur. Hierbei spielt auch immer eine wichtige Rolle in welchem Verhältnis sich das Subjekt zu den postmodernen Entwicklungen und Architekturen befindet. Grahams freie und eklektische professionelle Entwicklung bildet in gewisser Weise eine typisch postmoderne Grundlage für diese Unternehmungen. Wohl am bekanntesten sind Grahams minimalistische Pavillion-Strukturen aus Stahl und Spiegelglas, in denen die Besucher unmittelbar in Beziehung und Auseinandersetzung mit den architektonischen Formen treten. Immer wieder bezieht er aber auch andere Medien, wie Performance, Installation, Film, Fotografie, sowie die theoretische Auseinandersetzung in sein Werk ein. So entstehen, hier chronologisch aufgelistet, erste konzeptuelle Arbeiten wie Schema (1965), oder eine weitere wichtige Arbeit, der Foto- und Text-basierte Essay Homes for America (1966), die zuerst in Zeitschriften und Magazinen zu sehen war. Ziel war es hier und bei ähnlichen Arbeiten, den Zusammenhang zwischen Sichtbarkeit und Wertschätzung von Kunst aufzudecken und gleichzeitig die damit einhergehenden Markt-mechanismen zu untergraben. In frühen Filmen wie Body Press (1970), sowie Performances wie Performer/Audience/Mirror (1975) thematisiert Graham, auf Basis der Psychoanalyse, Überlegungen zur Wahrnehmung von Raum und Zeit und setzt sich mit dem Bewusstsein von Körperlichkeit unter medialer Interaktion auseinander. Ende der 1970er Jahre entstehen erste Pavillon-Architekturen, wie zum Beispiel Two Adjacent Pavilions (1978-82). Ein weiterer wichtiger Teil seines Werks ist aber auch dem Dialog mit Musik- und Popkultur gewidmet, wie im Video Rock My Religion (1982-84) oder in Kooperationen mit Musikern wie Glen Branca oder Sonic Youth sichtbar wird.
Die Ausstellung im Portikus – Dan Graham Presents New Jersey – zeigt neue Fotografien Dan Grahams, die 2006 in Kollaboration mit dem Architekturlehrstuhl der Columbia University in New York entstanden sind, gemeinsam mit Fotografien aus der Serie Homes for America aus dem Jahr 1966. Die Fotoserie Homes for America entstand in den 1960er Jahren bereits bewusst im Stil eines Amateurs oder Fotojournalisten, und zeigt, mit einer preiswerten und handlichen Kodak Kamera aufgenommen, Bilder suburbaner Wohnhäuser, Gewerbeanlagen und städtischer Randzonen in New Jersey – Orte die das gewöhnliche und unspektakuläre, aber auch uniforme Amerika zeigen. Hierzu sagt Graham: „Ich kaufte die billigste Fixfokuskamera, eine Instamatic. Damals war die Galerie verschuldet und ich musste bei meinen Eltern außerhalb von New York wohnen. Der Zug dorthin fuhr durch einkommensschwache Vororte. Da wurde mir klar, dass ich auch ohne Geld an den Gleisen entlang gehen und das fotografieren konnte, was ich sah. Mich interessierte immer schon der unterschiedliche Wohnungsbau für die ‚Unter-’‚ und ‚OberschichtÂ’, denn ich wuchs in einer ähnlichen Situation auf.“ 1966 wurden Bilder dieser Serie erstmals als Dia-Show im Rahmen der Ausstellung Projected Art am Finch College Museum of Art in New York gezeigt. „Suburbia war ein häufig diskutiertes Thema in den frühen 1960ern in Zeitschriften wie Esquire. David Riesman und andere Soziologen sprachen viel über die ‚einsame MasseÂ’, Menschen, die in kleinen Vororten konformistisch und unglücklich waren. In der Musik kam dies im Kinks-Lied ‚Mr PleasantÂ’ und ‚Nowhere ManÂ’ von den Beatles zum Ausdruck,“ so Graham weiter. Wie bereits erwähnt, wurde Homes for America als fotografischer Essay, bei dem Ausschnitte der Bilder mit Textelementen kommentiert wurden, im selben Jahr zunächst im amerikanischen Arts Magazine und daraufhin im Esquire publiziert. Eine Entscheidung, mit der Graham einerseits eine größtmögliche Verbreitung seiner Bilder anstrebte und andererseits sich gezielt gegen das Monopol etablierter Institutionen oder Galerien stellte. Graham erfasste mit diesen Arbeiten einen Zeitgeist, der sich auch in den Werken von Künstlerkollegen abzubilden schien, und eine ständige Situation gegenseitiger Beeinflussung schürte: „Ich sah in Donald Judd, Dan Flavin und in gewissem Sinne auch in Sol LeWitt eine wichtige Manifestation der Vororte. Ich wollte also auf die aktuelle Situation in den Vororten hinweisen und bemerkte vor allem bei Sol LeWitt, dass er auf das geografische Netz der Stadt anspielte. Ich glaube auch, dass hier der Einfluss von Godard und Antonioni sehr groß war.“
Die Fotoserie aus dem Jahr 2006 resultiert nun aus einer viertägigen Exkursion durch New Jersey gemeinsam mit Vertretern des Architekturlehrstuhls der Columbia University New York. Für diese Serie suchte Dan Graham teilweise dieselben Orte im an New York City grenzenden, vorstädtischen Bundesstaat New Jersey auf, die bereits in seinen Fotografien der 1960er Jahre zu sehen waren.
Die Beschäftigung mit dem Seriellen, mit Standardisierung und Kontinuität stehen bei sowohl den älteren, als auch den jüngeren Fotografien im Mittelpunkt. Das wiederkehrende Interesse an der Aufwertung des Alltäglichen findet hier präzise Form, gebunden an Fragen nach der individuellen Wahrnehmung von sozialem Raum und Raumbildung durch soziale Gruppen. Architektur wird in Grahams Arbeiten als Manifestation gesellschaftlichen Raums vorgestellt. Dabei nutzt er die urbane Oberfläche als Informationsträger: „Der Kontext ist sehr wichtig. Ich wollte, dass meine Arbeit von Raum als Information, die präsent ist, handelt.“
Die Ausstellungsarchitektur in Dan Graham Presents New Jersey schließt sich dem Gedanken des Seriellen und des „Drifts“ durch die Vorstädte, der in den Fotoserien sowohl inhaltlich, als auch in der Machart der Fotografien erkennbar ist, konzeptuell an. So soll der Besucher die Arbeiten während der Bewegung durch den Ausstellungsraum entdecken und als seriell, aber auch subjektiv wahrnehmen können.