Lutz Bachers Ausstellung im Portikus ist die erste in einer Reihe von drei Einzelausstellungen in diesem Jahr, die ihr umfangreiches Werk einem europäischen Publikum präsentieren. Nach dem Projekt in Frankfurt folgen im Herbst und Winter 2013 Ausstellungen im Institute of Contemporary Arts (ICA), London, und in der Kunsthalle Zürich. Zu diesem Anlass erscheint zudem die erste monografische Publikation zu Bachers umfassendem Oeuvre.
Lutz Bacher, die in Berkeley und New York City lebt, nimmt eine wichtige Position in der zeitgenössischen Kunst ein. Die Künstlerin, deren Nationalität, Alter und Geschlecht vierzig Jahre lang mystifiziert blieb, nutzt ihr Werk einerseits als Refugium, andererseits als Bewegungsraum, in dem sie die drängenden politischen und sozialen Verhältnisse, vor allem in ihrer Heimat USA, beschreibt. Obwohl ihre Bildsprache, Objekte und Rauminstallationen von Gewalt, Missbrauch, Verrat und Gleichgültigkeit zeugen, gelingt es ihr, die Arbeit jeder eindimensionalen Kategorisierung als politische oder feministische Kunst zu entziehen. Bacher lässt die Gleichzeitigkeit von Ausdrücklichkeit und Esoterik, Humor und Vertrautheit, Realität und Fiktion zu. Es kommt zu einem ständigen Rollenwechsel, wenn die Person hinter der Künstlerin anonym bleiben und die Künstlerin hinter der Person vermitteln will. Diese Haltung wird in den vielen Gesprächen und Interviews sichtbar, die Lutz Bacher mit und über sich inszeniert hat. Die 1976 entstandene Arbeit The Lee Harvey Oswald Interview illustriert das Verwischen etablierter Vorstellungen von persönlichen Grenzen. Hier befragt sie sich zur Figur des Kennedy-Attentäters:
Frage: Warum Lee Harvey Oswald?
Antwort: Das Thema hat mich immer fasziniert.
Frage: Attentate?
Im Hauptausstellungsraum des Portikus präsentiert Lutz Bacher erstmals eine Installation mit Skulpturen aus den vergangenen Jahren: ein überdimensionales Schachbrett. Allerdings reichen ihre Schachfiguren von Elvis Presley über einen Tyrannosaurus Rex bis zu einer Replik des Fahrradrads von Marcel Duchamp. Das Werk kommentiert die strukturelle Komplexität bestimmter Mikrokosmen (etwa der Kunstwelt) im größeren, endlos variierten Kontext des Universums. So offenbart die Künstlerin ihr Interesse an Glaubenssystemen wie Schicksal, Zufall und universelle Vernetzung. Die Mechanismen des Schachspiels fordern dazu auf, Strategien für die komplexen Beziehungen zwischen Umständen, Personen und Objekten zu entwickeln.
Das temporäre Obergeschoss im Portikus und das große Fenster im Dachgeschoss erweitern den Rhythmus der Schwarz-Weiß-Module der Ausstellung auf das ganze Gebäude. Die Schachbrettarbeit wird im klassischen Whitecube präsentiert, während der Raum für die Videoinstallation Blue Moon (1996) im Obergeschoss mit glitzerndem schwarzen Sand gefüllt ist. Das Dachfenster wird zu einem enormen Billboard und übersetzt eines von Bachers Markenzeichen in den öffentlichen Raum der Stadt, den „Duck/Bunny“ – je nach Perspektive ein Enten- oder Hasenkopf –, mit dem der Philosoph Ludwig Wittgenstein seine Kognitions- und Verhaltenstheorie illustrierte. Lutz Bacher gibt uns Gelegenheit zur Reflexion: Was sehen wir wirklich, wenn wir Kunst betrachten? Wie wird das Gesehene verarbeitet und welche Verwandlungen finden dabei statt?