01.05.2010 - 11.07.2010
Ornamental prachtvoll, überwältigend präzise, schlichtweg appetitanregend sind Karin Kneffels Bilder, und noch mehr: Die Malerin treibt ihr Spiel mit der illusionistischen Kraft der Malerei. Sie mischt dem verführerischen Sog ihres Hyperrealismus stets die Aufforderung bei, dem Abbildcharakter zu misstrauen. Ihre Kunst, so sagt die Münchner Akademieprofessorin, sei „in gewisser Hinsicht Lüge". Es gehe ihr um „das Erzeugen eines Zweifels".
Wenn sie Alltagsmotive wie Teppiche, Sessel oder Hunde in die Sphäre der Kunst überträgt, isoliert sie Augenblicke, vergrößert Ausschnitte, bricht Perspektiven und lädt Spiegelungen mit einem Eigenleben auf. Sie malt nicht, was wir sehen, sondern wie wir sehen. Sie übersetzt Denkprozesse in sinnlich fassbare Bilder. Ihre Tierporträts fördern geheime Vorstellungen über Menschen zutage, ihre Feuerbilder lassen uns in Fantasiewelten Zuflucht suchen, Früchte- und Puddingbilder gleichen schockgefrorenen Déjà -vu-Erlebnissen, und ihre Interieurs halten dem Nachdenken über unser Leben einen seltsam schillernden Spiegel vor.
Die arrivierte Düsseldorfer Malerin versteht ihre von der Kunsthalle Tübingen veranstaltete erste Retrospektive nicht als reinen Rückblick, sondern vor allem als einen „Blick zurück nach vorn". Nur solche Werke haben Eingang in die Ausstellung gefunden, die der Selbstkritik der nach Perfektion strebenden Malerin standhalten. So sind es weniger frühe und mehr späte Arbeiten, die hier versammelt sind. Die Phase ihres 1987 bei Gerhard Richter abgeschlossenen Studiums bleibt ausgespart. Die Jahre bis zur Jahrtausendwende machen ein Viertel, die Jahre danach drei Viertel der insgesamt 44 großformatige Ölgemälde oder Gemäldegruppen umfassenden Schau aus. Die Ausstellung und der Ausstellungskatalog bieten damit den bislang umfangreichsten Überblick über das Werk einer weltweit beachteten Vertreterin eines neuen Realismus.
Karin Kneffel wurde 1957 in Marl geboren. 1977 bis 1981 studierte sie Germanistik und Philosophie in Münster und Duisburg. Zwischen 1981 und 1987 studierte sie an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Johannes Brus und Norbert Tadeusz, bis sie als Meisterschülerin von Gerhard Richter abschloss. Sie erhielt zahlreiche Anerkennungen, so ein Stipendium der Cité Internationale des Arts in Paris, das Karl Schmidt-Rottluff-Stipendium, den Lingener Kunstpreis und ein Stipendium der Villa Massimo in Rom. Vor der Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen hatte sie unter anderem Einzelausstellungen im Ulmer Museum, dem Kunstmuseum Krefeld, dem Mönchehaus-Museum in Goslar, dem Altana Kulturforum in Bad Homburg, dem Musée Jean de La Fontaine in Château-Thierry und dem Museum voor Hedendaagse Kunst in Hertogenbosch. Nach einer Professur an der Hochschule für Künste Bremen ist sie nun Professorin an der Münchner Akademie.