Ab und an kommen wir auf den Hund, weinen dicke Krokodilstränen, schimpfen wie Rohrspatzen, sind arm wie Kirchenmäuse, sind Hasenfüße oder Wölfe im Schafspelz, das Ganze wahlweise wieselflink oder im Schneckentempo. Über Jahrhunderte hinweg – davon zeugt der Reichtum unseres verbalen Bestiariums – war esfür Literatur und Kunst eine kreative Herausforderung, das rätselhafte, da zwischen Nähe und Ferne, Vertrautheit und Fremdheit, zwischen frappanter Ähnlichkeit und undurchdringlicher Andersheit oszillierende Verhältnis von Mensch und Tier abzubilden, zu beschreiben, auszuloten oder spielerisch ins Fantastische zusteigern.
Unsere Vorstellung vom Wesen der Tiere änderte sich von Epoche zu Epoche. Je deutlicher aber unser Wissen um unsere auch wissenschaftlich belegbar nahe Verwandtschaft zum Tier Kontur annimmt, desto größer ist vielerorts die Skepsis gegenüber einer naturgegebenen Hierarchie der Arten. Immer mehr Menschen finden in tierethischen Fragen, etwa nach Tierrechten oder der Würde des Tiers, ein Thema der Diskussion. Unsere Vorstellungen von Tieren sind also kräftig in Bewegung geraten, und während wir uns in unserem Alltag zwischen Grillwurst und Gassigehen eingerichtet haben, zeigen Künstler uns Tiere aus ihren bisweilen höchst ungewöhnlichen Perspektiven. Ihr Interesse an dem Sujet beruht auf dessen immenser Vielfalt, dem geradezu unerschöpflichen Reichtum an Formen und nicht selten auch der erstaunlichen Rätselhaftigkeit. So finden sich mythologische Figurationen, Fabel- oder Märchengestalten wie Drachen, Sphinxen, Melusinen, Chimären oder Minotauren ebenso in der »Menagerie« ein wie Kühe, Schafe, Pferde, Hunde, Katzen, Vögel, Tiger, Wale oder Mäuse. Manche stehen »wie es sich gehört« auf der Weide, andere proben den Aufstand. Sie besetzen Computer, wie zum Beispiel Barry Flanagans »Hasendenker«, sie lümmeln sich auf einem Konzertflügel wie Peter Sengls Affen oder entledigen sich ihres Reiters, wie Mimmo Paladinos geheimnisvolles Pferd – gerade so, als wollten sie damit das Wunschdenken des Literaten Elias Canetti einlösen, der dereinst sinnierte: »Das schönste Standbild des Menschen wäre ein Pferd, wenn es ihn abgeworfen hätte.«
Mit über 200 Exponaten verspricht Menagerie – Tierschau aus der Sammlung Würth ein Sehvergnügen für die ganze Familie, denn sie widmet sich nicht nur unserem engsten Verwandten, dem Tier, in faszinierenden Darstellungen quer durch die Kunstgeschichte: Lucas Cranach d. Ä. ist ebenso vertreten wie Leonhard Kern, Asgar / Gabriel wie Pablo Picasso, von René Magritte spannt sich die Linie bis hin zu Robert Longo und Andy Warhol. Die Ausstellung zeigt darüber hinaus auch kuriose Exotika wie Möbel und funkelnden historischen Schmuck in Tiergestalt. Nebenbei gibt es auch noch etwas zu lernen von all den Tieren – über uns. Denn hat der Mensch, dieser schlaue Fuchs, nicht stets versucht, sich über das Tier selbst zu deuten?