„Dada hat Hände und Füße, die stets Dinge unternehmen, die weder Hand noch Fuß haben, hat Köpfe, die stets den Kopf verlieren, und Häuschen, die stets aus dem Häuschen geraten.“ (Hans Arp)
Berlin im Jahr 1918: Das Wilhelminische Kaiserreich ist nach einem grausamen Ersten Weltkrieg zerschlagen worden. In der Hauptstadt des Deutschen Reiches, das um eine demokratische Verfassung ringt, treffen reformunwillige Machteliten auf Bürgerinnen und Bürger in Aufruhr, die auf allen gesellschaftlichen Ebenen nach neuen Idealen streben. In dieser Gemengelage entsteht Dada, eine internationale Künstlerbewegung, die seit ihren Anfängen 1916 alles auf den Kopf stellt und in Berlin wirkt, als habe jemand „ein Streichholz in ein Pulverfaß geworfen“ (Hannah Höch). Dada provoziert mit exzentrischen Soiréen und Werken, die den bestehenden Kunstbegriff radikal in Frage stellen. Sinnfreie Lautgedichte von Kurt Schwitters, bitterböse Zeichnungen von George Grosz, karikatureske Aufführungen von Richard Huelsenbeck oder philosophische Schriften von Raoul Hausmann, die eine neue Ära proklamieren, sind nur wenige Beispiele dieser alle Konventionen sprengenden Kunst.
Hannah Höch, 1889 in Gotha geboren, kann mit gutem Recht als die Grande Dame des Dada bezeichnet werden. Sie ist die einzige Frau im Berliner Dadakreis und gilt heute als eine der wichtigsten Dada-Vertreterinnen. Höchs Werk zeichnet sich durch einen äußerst innovativen und vielschichtigen Einsatz der Collage aus, eine in der Kunst bis dato wenig entwickelte Technik. Die Collage, mit der Höch bis zu ihrem Lebensende 1978 als künstlerisches Verfahren experimentiert, nutzt sie als Mittel für eine kritische und humorvolle Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und persönlichen Themen. Als Vorlagen dienen ihr Zeitungen, Magazine und Fotos, aus denen sie Motive ausschneidet und in neuer, freier Zusammenstellung auf Papier aufklebt. Auf diese Weise definiert sie auf jedem Blatt die bestehende Realität mit ihren eigenen Mitteln neu und stellt das vermeintlich Eindeutige in Frage.
Wie auf einer Theaterbühne, die immer Abbild von Gesellschaft ist und zugleich ein Verhandlungsort mit offenem Ausgang, setzt sich Höch in ihren Werken intensiv mit Fragen ihrer Zeit auseinander. Die Wirklichkeit wird in Höchs Collagen dekonstruiert und in neue, manchmal fantastisch anmutende Werke gefasst, die nicht zuletzt durch einen tiefgründigen Humor bestechen. Eine Analogie zur Bühne findet sich auf vielfältige Weise in Höchs Arbeiten und verdeutlicht eine ihrer Verbindungen zu Dada. Die Ausstellung im Kunsthaus Stade, die anlässlich des 100. Jubiläums von Dada gezeigt wird, setzt hier ihren Schwerpunkt. Sie veranschaulicht, dass sich die Werke von Hannah Höch mit dem Blick auf die Bühne auf neue Weise erschließen lassen. In diesem Sinne – Vorhang auf für Hannah Höch!