16.02.2011 - 15.05.2011
In der Zeit der Weimarer Republik gehörten Verismus und Neue Sachlichkeit zu den prägenden Erscheinungen der Kunst in Deutschland. Auf die Erfahrung des Ersten Weltkriegs und die Krise der Gesellschaft antworteten sie nicht mehr mit der expressionistischen Utopie des Neuen Menschen, einer Ekstase des Subjekts und seiner Emotionen ("Gefühl ist Privatsache", formulierte Bert Brecht 1926), und ebenso nicht mit einem Konstruktivismus, in dem das Bauhaus Kunst und Leben vermitteln wollte. Vielmehr richteten sie einen abgekühlten detailgenauen Blick auf die Wirklichkeit zwischen sozialer Misere und der Banalität des Alltags. Nüchtern, unsentimental, scharf erfassten sie Figuren und Dinge von ihrer Kontur her, um ihnen wieder Halt und Festigkeit zu geben und eine unüberschaubar gewordene Welt ins Überschaubare zu stabilisieren. An die Stelle dynamischer Entgrenzung trat statische Begrenzung. Ihr Realismus war keine Reproduktion, sondern eine Interpretation der Wirklichkeit, die sich dieser Wirklichkeit neu versichern wollte.
Die Ausstellung zeigt etwa 130 Aquarelle, Zeichnungen und druckgrafische Arbeiten aus dem umfangreichen Bestand des Berliner Kupferstichkabinetts. Die Auswahl wird durch 35 Leihgaben, vor allem Gemälde, ergänzt, denn nur durch die Einbeziehung der Malerei als zentrales Ausdrucksmedium der Neuen Sachlichkeit ist deren künstlerische Bedeutung präzise darstellbar. Daraus entsteht ein umfassendes Panorama, das Werke aller wichtigen Künstler enthält wie Otto Dix, George Grosz, Max Beckmann, Carl Grossberg, Conrad Felixmüller, Alexander Kanoldt, Franz Radziwill, Christian Schad, Rudolf Schlichter, Georg Scholz, Georg Schrimpf. Gerade in der Breite des Spektrums von rund 40 Künstlerinnen und Künstlern wird deutlich, dass sich weder stilistisch noch geografisch eine einheitliche Kunstrichtung beschreiben lässt. Die als Verismus, Neue Sachlichkeit oder auch Magischer Realismus etikettierten Haltungen haben zwar in der Zuwendung zur Realität und besonders zum Bild des Menschen, in der Genauigkeit des Gegenstands bei klarer Bildkonstruktion und der Dominanz der Linie gemeinsame Merkmale, bewegen sich aber dennoch in einem großen Radius.