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Karl Larsson, Poetical Assumption
Wann beginnt ein Kunstwerk, etwas für den Betrachter auszudrücken? Wie zirkuliert seine Bedeutung? Welche Geschichten erzählt es?
Karl Larsson, diesjähriger Philipp Otto Runge Stipendiat, verbindet ein institutionskritisches Bewusstsein über materielle und ideologische Bedingungen eines Kunstwerks mit poetischen Reflexionen über existenzielle und emotionale Voraussetzungen des künstlerischen Schaffens. In Hamburg werden Zeiträume, Materialien und Gesten in einen Raum überführt, der ein aktuell gegenwärtiges Sprachklima beschreibt: North Western Prose. In diesem, Hamburg umgebenden Sprachklima hat alles eine Funktion.
Der Titel der Ausstellung North Western Prose bezieht sich auf den Roman Buddenbrooks von Thomas Mann, der das kapitalistische System des 19. und frühen 20. Jahrhundert abbildet. Larsson verknüpft Manns Themen mit aktuellen Fragen: Wie lässt sich heute ein Leben gestalten, gerade im Kontext von etablierten Traditionen, wirtschaftlichen Interessen, individuellen Wünschen und dem drastischen Wandel sozialer Strukturen? Literaten wie Arthur Rimbaud, dessen Formulierung "Ich ist ein anderer" den Beginn der artifiziellen Literatur markiert, tauchen in der Ausstellung auf: Die Silhouette seines Kopfes, die ursprünglich einem Denkmal in Charleville entstammt, ist auf dem Boden positioniert. Larssons verschiedene Charaktere befinden sich in einem ständigen Austausch.
Mit North Western Prose setzt Larsson seine Arbeit an den Schnittlinien und Grenzen von Schrift und Sprache, Poesie und Installation fort. Diese unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen haben sich zu einer Praxis verbunden, die sowohl als redaktionell als auch literarisch beschrieben werden kann, sich aber unterscheidet vom konventionellen Schreiben und den Fokus auf Raumerlebnis, Aufführungsform und Aktivierung legt. Wie irreguläre Punkte auf einer Kurve werden die Werke zusammengehalten, nicht aufgrund ihrer Kohärenz, sondern als Ergebnis einer immanenten Ordnung. Larssons Übertragung einer poetischen Methodologie auf die skulpturale Praxis eröffnet einen Raum zwischen Objekt und Betrachter, der eine aktive Rolle im künstlerischen Szenario einnimmt. Damit fordert der Künstler den Akt der Wahrnehmung heraus und hinterfragt bestehende Modi einer Künstlerkritik, die vom Kapitalismus längst inkorporiert worden ist.
Diese Übertragung in den Ausstellungsraum löst eine bestimmte Art des Denkens über Konsum und Wertigkeit aus. Kritik bedeutet eben nicht, Urteile zu fällen, sondern dem Gegebenen Wissen hinzuzufügen. "Die Ausstellung als Kulturform wurde geboren, als die Logik der Präsentation die Kunstwerke von ihrer eigentlichen sozialen Bestimmung trennte. Die Bedingungen für einen solchen Bruch sind nicht mehr gegeben: Die Ausstellung zeitgenössischer Kunst ist ein Anachronismus" (Kim West). In diesem Szenario kann das Denken neu beginnen.
Karl Larsson wurde 1977 in Kristianstad, Schweden, geboren und ist Künstler, Dichter und Herausgeber. Er lebt in Malmö und Berlin. Als Dichter hat Larsson fünf Bücher veröffentlicht: Form/Force (OEI Editör 2007), Nightsong (OEI Editör 2009), Parrot (Paraguay Press 2010), Poetical Assumption (Torpedo / JvE 2012) und Consensus (the Room) (Paraguay Press 2012). Er ist Teil des editorischen Gremiums von Audiatur, Biennale für zeitgenössische Poesie in Bergen, Norwegen. Larsson hatte Einzelausstellungen in der Index Contemporary Art Foundation in Stockholm, in der Galerie Kamm, Berlin, und im Neuen Aachener Kunstverein. Außerdem hat er teilgenommen an Gruppenausstellungen im NGBK in Berlin und im Moderna Museet in Stockholm. Kommende Ausstellungen werden unter anderem im Portland Institute for Contemporary Art (USA) zu sehen sein.