25.11.2011 - 08.01.2012
Sechs Jahre schon PASST es im Kunstverein Weiden und macht es den Mitgliedern Spaß, gemeinsam unter den Geschmacks-Schlagbäumen und Jury-Hürden hinwegzutauchen, auf der anderen Seite finden im Reich der Ästhetik Saturnalien statt; wie weiland im alten Rom werden unter dem Zeichen Saturns, dem Symbol des Goldenen Zeitalters, dem Gott des Ackerbaus und der ländlichen Region (Oberpfalz), alle Standes-Unterschiede aufgehoben. "Anything goes" sagt die Postmoderne und wenn man sich an die bishe-rigen Patchworks erinnert, die Florian Thomas und Uwe Müller aus all den Eingaben in Petersburger Hängung hergestellt haben, muss man dem zustimmen: Stimmt! Alles eine Frage kontextuellen Fingerspitzen-Gefühls. Im Kern: Kommunikation findet hier Kunst zu ihrem Eigentlichen. Sie fließt und ihr Luxus wird Fluxus.
"PASST VI" ist auch wieder die Ausstellung zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Wieder- und Neu-Erkennen und zum Kunst-Neu-Buchstabieren von Bild zu Bild. Es ist eine Einladung zum Miterleben, wie in der Patch-Work-PASST-Form gemeinschaftlichen künstlerischen Vermögens das Grenzenlose an der Kunst zur Erscheinung kommt.
Die thematische Eingrenzung widerspricht dem nicht. Sie ist nur scheinbar, wie man aus Erfahrung weiß, und dank der Jury-Freiheit haben ja auch schon Urinale die Schwelle der Meisterhalle passiert und sind Juwelen geworden (Marcel Duchamps Ready-mades). Auch das Thema SOLL + HABEN ist nur ein Thema. Gleichwohl sich darin Uns-Alle-Angehendstes spiegelt, das Sägen an unser aller Ast, sprich die aktuelle Welt-Finanz-Krise, entwickelt es kunst-naturgemäß die elementare Dehnbarkeit, die alles mit allem in Beziehung bringt, und wird sehr wahrscheinlich auch gemäß dieser Kunst-Natur behandelt werden. Es sind eine Reihe Ready-mades zu erwarten. OK. Lasst uns sehen!
Im Sinne der Offenheit, die das PASST-Projekt auszeichnet, liegt es nahe, Gäste einzuladen. 2009 waren es Kai Pfeiffer und Ulli Lust aus Berlin, die gerade dabei war, mit ihrer Comic-Autobiographie "Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens" berühmt zu werden. Titel der Ausstellung: Echt-Ich.
Der Kritik- und Politik-Bezug von SOLL + HABEN und nicht minder die Produktions-Form, die unsere PASST-Veranstaltungen initiieren, ließ mich an die Münchener Künstlergruppe KING KONG KUNSTKABINETT denken. Mit ihr steht der Kunstverein Weiden von seinen Anfängen an in Verbindung. Wie kaum eine andere mir bekannte Einrichtung haben das Trio Walter Amann, geb. 1942, München, Wolfgang Schikora, geb. 1945, München, und Ulrich Zierold, geb.1946, Frankfurt, das Politische zum künstlerischen Thema und gleichermaßen zur künstlerischen Produktions-Form gemacht: die Kunstwerke werden zu dritt hergestellt, die Gedanken und Handschriften mischen sich und der Mix, in dem mal der eine mal der andere Malgestus dient, dominiert, dirigiert, demonstriert, lässt sich vielleicht als Metapher der Lacanschen Behauptung ansehen, dass uns unser Ich erst die anderen geben.
Im Internet-Portal der Gruppe heißt es: "1977 Gründung der Künstlergruppe im KING KONG KUNSTKABINETT, dem projektierten Erfahrungs- und Experimentalraum künstlerischer Kooperation. Von hier aus entstehen die kollektiven Malereien, die Kleinplastiken, illustrierte Texte, gelegentliche Video-Arbeiten und eine Reihe von Kunstfilmen. Anliegen der vielfältigen Arbeiten ist die Vermischung unterschiedlicher Bildsprachen, das Spiel mit Ausdrucksvarianten und die Entspezialisierung verschiedener Bildmedien." Wer es genauer wissen will, kann nachsehen unter: www.kingkongkunstkabinett.de. Um aber KKKs ganze Bedeutsamkeit heraufzubeschwören, sollte er/sie sich, so er/sie zu den BR-BürgerInnen gehört, die Anfang der 1960er Jahre die Kinderschuhe auszogen und in den zwei folgenden Jahrzehnten groß wurde, an die köstliche Pardonlosigkeit von Pardon erinnern. Mit Pardon, der literarisch-satirischen Zeitschrift, die über zwanzig Jahre lang, von 1961 bis 1982 westdeutsch-kritischen Zeitgeist prägte, fand in der Nachfolge des Simplizius Simplizissimus der Weimarer Zeit ein seinen Zylinder lupfendes, schräges Teufelchen Eingang in die deutsche Denke, dessen stetiges, subtil alle spitz-fedrigen Künste vereinendes Verneinen heute fehlt. Das KING KONG KUNSTKABINETT ist dessen letzte Bastion. Hier gibt es das alles noch, auch in ewigkeitswertigem Öl.