Unter dem Titel Das Leben japanischer Bilder zeigt die Langen Foundation eine Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit Melanie Trede, Professorin für Japanische Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg, entstanden ist.
Anders als in der westlichen Kultur wurde das japanische Bild oft als veränderbares Objekt behandelt, das man zerschneiden, neu montieren und somit einem immer neuen Leben zuführen kann, sei es in Form einer Hängerolle, eines Albumblatts oder eines Stellschirms. Anhand von rund 20 Werken aus der Sammlung von Viktor und Marianne Langen wird diese wechselvolle Geschichte der japanischen Bilder anschaulich gemacht.
Nach unserem modernen Kunstverständnis ist der Akt des Fragmentierens und Umformatierens ein (unzulässiger) Eingriff in die Integrität eines Kunstwerks. Anders in der Geschichte der japanischen Kunst und Kultur. Hier bedeuten Fragmentierungen nicht das Ende eines Bildes. Ein neu formatiertes Teilstück kann andere Betrachtungsweisen ermöglichen, es kann neuen Funktionen zugeordnet und in ein anderes Netzwerk sozialer und politischer Beziehungen eintreten. Bis heute werden Umformatierungen auch aus konservatorischen Gründen vorgenommen. So werden durch den Gebrauch angegriffene Kunstwerke wie Fächerbilder oder Schiebetürenmalereien zum Schutz auf Hängerollen montiert.
Einen entscheidenden Einfluss auf Das Leben japanischer Bilder hatten westliche Sehgewohnheiten. Sie führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Veränderung der Rezeption vormoderner Kunst. Erstmals gab es Museumsausstellungen, in denen die typisch japanischen Formate – Querrollen, Alben oder auch Fächerbilder – in Vitrinen präsentiert wurden. Sie konnten nicht mehr in die Hand genommen werden und waren auf einen bestimmten Bildausschnitt reduziert. Vorbild für die Präsentation von Kunst wurden die gerahmten Tafelbilder europäischer Malerei. Die Hängerolle kommt diesen am nächsten, weshalb sie das bevorzugte Bildformat bei Umformatierungen und Fragmentierungen wurde.
In der Sammlung von Viktor und Marianne Langen gibt es zahlreiche Beispiele von montierten Fragmenten ursprünglicher Querrollen, Fächerbildern und Albumblättern. Vor allem Querrollen wurden zerschnitten und die einzelnen Motive (Malerei oder Kalligrafie) auf Hängerollen montiert. In dieser neuen Form konnten die Werke in anderen Zusammenhängen gezeigt werden. Auch der ökonomische Aspekt spielte bei der Fragmentierung eine Rolle - ließen sich doch durch die Stückelung erhebliche Preissteigerungen erzielen. Die anschließende Montage diente nicht nur als Schutz und Präsentationsfolie der Fragmente, sondern bot auch neue ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten. Neben den traditionellen Montierungsstilen entwickelten einige Sammler anhand der Auswahl von Montierungsstoffen einen eigenen Stil, an dem die Bilder ihrer Sammlung erkannt werden können.
Eine Sonderform der künstlerischen Neuinterpretation von Kunstwerken sind die Fächerparavents. Kunstvoll bemalte Faltfächer waren in Japan ein Gebrauchsgegenstand, der jedes Jahr durch einen neuen ersetzt wurde. Besonders schöne und geschätzte Exemplare wurden jedoch behalten, gesammelt und zuweilen auch auf die Paneele von Stellschirmen geklebt. Die dabei entstehenden Arrangements von verschiedenen Stilen und Sujets waren so beliebt, dass einige Malateliers Stellschirme mit direkt aufgemalten Fächern produzierten. In der Sammlung Viktor und Marianne Langen befindet sich ein solcher kostbarer Fächerparavent, auf dem eine Vielzahl von Maltechniken und Themen kombiniert wurden.