In seiner Langzeitstudie hat der Fotograf Michael Kerstgens sich dem wenig in Deutschland zur Kenntnis genommenen Phänomen der großen Zuwanderung russischstämmiger Juden Anfang der 1990er Jahre gewidmet. Sprechen die Statistiken vor 1990 von etwa 25.000 Menschen als Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland, sind es heute mehr als 110.000. Kerstgens beobachtet und dokumentiert ihre Ankunft, den Start ins neue Leben in Deutschland und hat einige der Familien und ihre Lebenswege und Schicksale über viele Jahre begleitet. Sein fotografischer Blick zeigt das große Interesse für die Menschen, für die Fragen des Religiösen und des Gemeinwohls, aber er zeigt auch einen Fotografen, der Strukturen ins Bild setzt und die „richtigen Momente“ festhält. Dabei eröffnen seine Themen ein weites Spektrum. Das Übergangsheim im oberpfälzischen Weiden ist einer der Orte, an denen er die Menschen begleitet. Der Einstieg, so zum Beispiel in die deutsche Sprache, wie Kerstgens Foto eindrücklich belegt, ist oft nicht so einfach. In der jüdischen Gemeinde in Berlin, der größten in Deutschland, entstehen viele der Bilder. Doch geht Kerstgens auch in die durch Wladimir Kaminer berühmt gewordene „Russendisko“ und zeigt das ausgelassene Leben der jungen russischen Einwanderer. Kerstgens gehört zu den Fotografen, die mit großem einfühlungsvermögen Geschichten erzählen, die etwa 80 Fotos dieser Ausstellung belegen dies eindringlich.
Die LUDWIGGALERIE richtet diese Präsentation zusammen mit der ebenfalls im Schloss Oberhausen ansässigen Gedenkhalle aus. Das museumspädagogische Programm trägt dieser Kooperation besonders Rechnung. Das Jüdische Museum Berlin konnte Anfang 2011 die komplette Serie der Schwarz-Weiß-Fotografien für seine Sammlung erwerben.
Auch dies zeigt die Einzigartigkeit des von Michael Kerstgens durchgeführten Fotoprojektes.