30.04.2009 - 01.06.2009
Vor 90 Jahren, im Frühjahr 1919, wurde Lyonel Feininger von Walter Gropius als einer der ersten Lehrer an das eben gegründete Staatliche Bauhaus in Weimar berufen. Die „Kunstschule der Moderne", an der auch Paul Klee und Wassily Kandinsky lehrten, strebte die Vereinigung von Kunst und Handwerk an, nach 1923 die Einheit von Kunst und Technik. Anknüpfend an den Gedanken mittelalterlicher Bauhütten hatte Gropius im Programm des Bauhauses verkündet: „Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallines Sinnbild eines kommenden Glaubens." Illustriert wurde das Manifest von einem Holzschnitt Feiningers, der berühmten „Kathedrale" aus demselben Jahr. Sie stellt den „Bau der Zukunft" dar und ist ein Symbol für die geistige Haltung des Bauhauses. In der „Kathedrale" zeigt sich außerdem Feiningers Meisterschaft im Holzschneiden. Seit seinem ersten Holzschnitt war gerade erst ein knappes Jahr vergangen. Von allen 320 Holzschnitten waren rund Dreiviertel von 1918 bis 1920 entstanden.
Während die ersten Holzschnitte noch deutlich den expressionistischen Vorbildern etwa der „Brücke" folgen, indem sie Dramatik aus dem Helldunkel-Kontrast erzeugen, bestehen viele spätere Blätter aus einem konstruktiven System dünner Stege, die im Falle der „Kathedrale" die Architektur mit dem Umraum verschmelzen lassen. In der Ausstellung sind alle 76 Arbeiten des Jahres 1919 versammelt. An den stur in der Reihenfolge ihrer Entstehung gehängten Werken kann man diese Entwicklung ebenfalls nachvollziehen, die Holzschnitte zeigen aber auch, dass Feininger in der Gestaltung seiner Holzschnitte, in der Wahl der Motive und Formate sehr sprunghaft und voller Experimentierfreude sein konnte. So stehen kleine karikaturhafte Blätter zwischen dramatischen Seestücken und filigranen Architekturen. Dass sich Feininger am Anfang seiner Bauhaus-Zeit so intensiv mit dem Holzschnitt beschäftigte, hatte gestalterische Gründe. Der Künstler verfolgte die „einfachste Form für einen dauernd gültigen Bildausdruck". Das Ergebnis sieht man Feiningers Gemälden aus den 1920er-Jahren an: Sie sind lichtdurchflutet und monumental in ihrem atmosphärischen Ausdruck.
Am Bauhaus qualifizierte sein Holzschnittwerk den Künstler für einen besonderen Aufgabenbereich. 1921 wurde Feininger Formmeister der Druckwerkstatt, unter seiner Leitung erschienen in den folgenden Jahren mehrere bedeutende Bauhaus-Mappen. Nach dem Umzug des Bauhauses in Dessau 1925 gab zog sich Feininger aus dem Lehrbetrieb zurück – wichtig für die Kunstschule blieb Feininger aber durch seine Persönlichkeit. Feiningers letzter Holzschnitt von 1919 ist eine Darstellung der Kirche von Gelmeroda, einem Dorf nur wenige Kilometer von Weimar entfernt. Dieses Lieblingsmotiv beschäftigte den Künstler ein Leben lang, von 1906 bis 1955. So zeigt sich in den Holzschnitten von 1919 beides, das Kunstwollen in einer bestimmten Phase des Künstlers und die zeitlose Beschäftigung mit wiederkehrenden Themen.