Gibt es eine Fotografie speziell Leipziger Prägung? Die kulturell vitale sächsische Stadt punktet mit Malern der Leipziger Schule und der Neuen Leipziger Schule. Lässt sich Vergleichbares auch von Künstlerinnen und Künstlern behaupten, die sich auf das Medium der Fotografie spezialisiert haben und als Lehrer, Studierende und Absolventen den Ruf der Hochschule für Grafik und Buchkunst heute prägen? Natürlich dient die Rede von Schulzusammenhängen oft genug dem Setzen von marktstrategischen Trends. Jenseits derartiger Motive zeigt ein Blick auf die Leipziger Tradition bis 1990 jedoch Prägungen durch sozial engagierte, Arbeitswelten und Alltag beobachtende Fotografen, die überwiegend im Schwarzweißmodus arbeiteten.
Während der vergangenen zwei Jahrzehnte ist diese Situation einer ästhetischen Pluralität gewichen, welche die Vielfalt des aktuellen Kunstgeschehens weltweit reflektiert.
Dabei treten dokumentierende, szenisch-inszenierte und konzeptuelle Ansätze heute kaum noch ‚sortenrein' in Erscheinung; vielmehr dominiert die Verschränkung unterschiedlicher Blickwinkel und stilistischer Präferenzen. Die Auswahl der künstlerischen Positionen für CROSSING VIEWS trägt dieser gewandelten Situation Rechnung. Vorgestellt werden Vertreter mehrerer Generationen mit recht unterschiedlichen, zum Teil auch kontrastierenden ästhetischen Perspektiven, deren Arbeiten dennoch Korrespondenzen erkennen lassen. So geht es ihnen einerseits immer noch um das genuin fotografische Programm, zu beobachten, aufzuzeichnen und ästhetisch zu ordnen, was an Vorfindlichem durch das Objektiv einer Kamera jeweils sichtbar wird. Andererseits ist ihre Bildsprache durch zahlreiche Referenzen in die Geschichte der Kunst geprägt – von der Frühromantik bis zur klassisch-modernen Malerei und Bildhauerei.