Wie werden geschichtliche Ereignisse, kulturelle Besonderheiten und deren Veränderungen oder soziale Verhältnisse heute von Fotograf/innen und Künstler/innen dargestellt? Wie wird Erinnerung formuliert und dem Vergessen entgegengewirkt?
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich eine Art der Fotografie etabliert, die sich explizit von den lange Zeit geltenden Prinzipien der dokumentarischen Fotografie und des Fotojournalismus abwendet. Die Fotograf/innen setzen den auf Objektivität und objektiver Vergegenwärtigung basierenden Strategien einen emotional aufgeladenen Blick entgegen. Es handelt sich um einen professionellen, absichtsvollen Blick, der gleichzeitig von Faszination zeugt und investigativ ist.
Sentimentalität wird üblicherweise mit Mitleidsgesten, Nostalgie oder Rührung in Verbindung gebracht – mit einer Wahrnehmung, die der rationalen Weltsicht entgegengesetzt scheint und den Blick auf deren Strukturen trübt. Davon unterscheidet sich der Begriff des Sentimentalen, wie er hier im Bezug zur künstlerischen Praxis angewendet wird: Das Emotionale wird als ein kommunikatives Werkzeug betrachtet, um Aufmerksamkeit zu erregen, zu appellieren und intensive Regungen beim Gegenüber hervorzurufen.
Die Künstler/innen, die der Monat der Fotografie Berlin mit den europäischen Partnerstädten für das gemeinsame Ausstellungsprojekt Memory Lab ausgewählt hat, inszenieren, spitzen zu, nutzen theatralische Effekte. Sie wollen mit ihren Bildern aufrütteln und den Betrachter involvieren. Sie wollen Geschichte aufbrechen und mit emotionaler Kompetenz analysieren. Sie arbeiten essayistisch, entwickeln Fotoserien und erzählerische Videos.