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Mönchehaus Museum für moderne Kunst


Mönchestrasse 3
38640 Goslar
Tel.: 05321 295 70
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Öffnungszeiten:

Di-So 10.00-17.00 Uhr

Isa Melsheimer: Installationen, Objekte und Gouachen

25.02.2007 - 06.05.2007

In Isa Melsheimers zeltartigen, provisorischen Behausungen, ihren fragilen Objekten aus Bruchglas oder ihren textilen Wandarbeiten ist der Bezug zur Architektur omnipräsent. In ihrem Werk berührt sie uns vertraute Themen wie urbane Situationen, öffentliche oder private Räume. Doch es sind die Leerstellen, die architektonischen Brüche, die Zufälligkeiten und „unbewussten Orte“ eines städtischen Umfelds, auf die sie ihren Blick fokussiert: Tiefgaragen, U-Bahnstationen, Parkplätze, verlassene Plattenbauten, Hotels oder Schlupfwinkel im privaten Kämmerlein. Vereinzelt streut sie Zitate visionärer, klassischer Architekturen aus aller Welt als Denkmäler einer vergangenen Ära in ihre installativen Anordnungen. Augenzwinkernd, manchmal auch ein wenig melancholisch, kreiert sie ein surreal anmutendes Paralleluniversum phantastischer Wohnlandschaften in der Technik des Samplings. Dabei verknüpft sie ganz selbstverständlich traditionell männliche Tätigkeiten des Bauens mit weiblichen Arbeiten wie Nähen und Sticken. Baumarktmaterialien wie Dachlatten, Spanplatten, Plastikplanen, Schaumstoff, Pappmaché, Zement, Glasscherben und Spiegelfolie gehören ebenso zu ihren Werkstoffen wie zarte Tücher, Stickgarn, Nähseide und Perlen.
Das Wichtigste in ihren Arrangements mit ihrem hintergründigen Sinn für Skurrilitäten und Absurditäten spielt sich auf Bodenniveau ab: Lebensräume entwickeln sich unter Bänken, Treppen und Brücken, in kleinen Kratern aus Pappmaché, in den unterirdischen Gefilden einer Galerie oder auf altmodischen Rosshaarmatratzen. Das Raumempfinden entspricht dabei häufig einem „living-in-a-box“-Gefühl.
Die 1968 in Neuss geborene Baselitz-Schülerin stellt die Welt auf den Kopf, kehrt das Innen nach außen, das Oben nach unten. Sie zwingt den Betrachter buchstäblich in die Knie. Ihre Modelle von einem „Leben in der Schachtel“ oder dem „Leben an Nicht-Orten“ üben – ohne erhobenen Zeigefinger – Kritik am System einer seelenlosen Wohnsiloarchitektur und der zunehmenden Kommerzialisierung von privatem Lebensraum. Sie untersuchen letztlich gesellschaftspolitische und psychosoziale Fragen eines Lebens ohne oder mit falschen Maßstäben.
In den jüngsten Kompositionen von Interieurs wird dieser Eindruck durch das Absenken des Blickniveaus auf Hunde- oder Krabbelkind-Perspektive und verschwommene Spiegelungen glänzender Parkettböden ins Extreme gesteigert. Das Motiv erscheint in der Spiegelung mehrfach gebrochen. Das streifige Nebeneinander heller und dunkler Partien vermittelt vibrierende Bewegung. Die Aussschnitthaftigkeit der Raumansicht kommt einer Illustration von Platons Höhlengleichnis nahe.
Parallel zu den menschenleeren Modellwelten entfaltet die Künstlerin auf ihren patchworkartig zusammengenähten Tüchern in zeitaufwendigen, zarten Stickereien figurative, mit Landschafts- und Architekturelementen kombinierte Szenerien. Die Vorlagen ihrer Figuren- oder Tiermotive entnimmt sie Zeitungsausschnitten oder dem Internet. Die täglich auf uns einstürzenden, grausamen oder verführerischen Botschaften der schnellen, flüchtigen Bilder werden in der Verlangsamung der Bildentstehung verzögert, gebrochen.
Eine eigenständige Werkgruppe bilden die Gouachen. Auch hier manifestiert sich eine Bewältigungsstrategie für unsere informations- und bilderüberflutete Welt. Vor einem Panorama aus phantastischen Raumfluchten und psychedelischen Mustern treffen schwebende, springende und laufende Figuren, grotesk aussehende Tiere, Mangas und seltsame Pflanzen und Steine aufeinander. Die Vorlagen für die wie schlafwandlerisch durch die Räume geisternden Personen entnimmt die Künstlerin z.B. Filmfiguren japanischer Regisseure oder westlichen Modemagazinen.
Für das Mönchehaus-Museum hat Isa Melsheimer eine speziell auf die Museumsräume konzipierte Abfolge von Installationen, Stoffarbeiten, kristallinen Glasbergen und Gouachen entwickelt.

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