07.04.2011 - 30.09.2011
Ein Windzug bauscht die weißen Vorhänge. Der luftige Stoff wölbt sich leise, spielt mit der Bö in den leeren Raum hinein. In seinem Gefolge flutet Sonnenlicht das dunkle Zimmer. Die Ecke leuchtet als feine helle Linie, die Wand wechselt ihre Farbe von körnigem Hellgrau zu flächigem Dunkelgrau. Wie ein Atemzug scheint die Brise den verlassenen Raum zu weiten. Auch wenn in diesem Bild fast nichts passiert, so ist der Stillstand doch in Bewegung und Verwandlung. Schlichte Flächen werden zu Körpern, strahlen oder verdüstern sich, die innere Welt tritt in Kontakt zur Äußeren, ein fast jenseitig wirkendes Licht bahnt sich seinen Weg ins Haus.
"Living Absence" - auch wenn der Titel für diese faszinierende Ausstellung in der Mori Ogai Gedenkstätte schon lange existierte - nach der Katastrophe in Japan liest man eine andere Bedeutung hinein. Die Fotos von Mayumi Terada wirken nun fast seismographisch, erinnern sie doch an die Fernsehbilder, in denen Angehörige verlassene Häuser nach Spuren der Bewohner durchsuchen. Die Menschen aber hat das Meer verschluckt.
Von dem Foto View of Blossoms aus dem Jahr 2007 bietet die Künstlerin eine Sonderedition in einer Auflage von 88 Bildern an, um das japanische Rote Kreuz zu unterstützen. Der Blick fällt aus einem dunklen Souterrain durchs Fenster auf einen weiß blühenden Kirschbaum. Wieder schleichen sich gegenwärtige Assoziationen in die Wahrnehmung. Auf der Website der Präfektur Miyagi, an deren Küste der Reaktor von Fukushima verglüht, sind idyllische Bilder von der Kirschblüte aus glücklicheren Tagen übrig geblieben. Das Foto von Mayumi Terada schaut jedoch nicht zurück, sondern aus der Finsternis in eine hellere Zukunft.
Die Ausstellung "Living Absence" fasst das Werk aus zehn Jahren zusammen. 2001 hat Mayumi Terada begonnen zu fotografieren. Zunächst schuf sie kleine Modellräume, leere Puppenstuben. Auch in der Fotografie bleibt sie Bildhauerin. Einst hat sie Skulpturen aus Plexiglas erschaffen. Ihr Umgang mit Licht erinnert an den amerikanischen Künstler James Turrell, bei dem der helle Strahl ebenfalls in andere Welten weist. Fast zärtlich lässt Mayumi Terada alltägliche Objekte wie Körper erscheinen. Die belebten Dinge erfüllen die Leerstelle in den Räumen, nachdem die Menschen entwichen sind. Die Künstlerin sucht in den Schattierungen des Grau die Transparenz. Ihr großes Thema sind die Schatten im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Schatten von Blättern zwischen Sonnenflecken lassen sich schwerelos auf einer Schaukel nieder. Am nächtlichen Strand zieht der tiefe Mond mit silbernem Licht die Schatten der Wolken lang. Und in dem vielleicht eindrucksvollsten Foto fällt gleißendes Gegenlicht durch ein quadratisches Fenster unter der Decke auf eine leere Badewanne. Auf dem harten Porzellan liegt ein flauschiges Frotteetuch. Aber im Schatten der Wanne versinkt der Raum in verzweifelte Dunkelheit. Ein Himmelsbad, möchte man meinen. Das liegt daran, daß Mayumi Terada in ihren übernatürlich stillen Bildern besänftigendes Gleichgewicht erzeugt zwischen Hell und Dunkel, Mensch und Natur, Leben und Tod. Das alles geht nur in Schwarz-Weiss. In der panischen Flut der farbigen Bilder wirken diese kargen Fotos von höchstem Raffinement. Sie überschreiben das hektische Chaos und erkunden in aller Stille lichte Hoffnung aber auch die Tiefe der Trauer.